1800 - 1830
Anfänge und Vorläufer
Als Denkmal kann jedes architektonische oder plastische Monument gelten, das mit der Absicht, an eine bedeutende
Persönlichkeit zu erinnern, aufgestellt wird und öffentlich zugänglich ist. In diesem Sinne kann bereits die
Beethoven-Büste, die im Jahr 1812 von Franz Klein geschaffen wurde, als eine Art Beethoven-Denkmal interpretiert
werden. Denn Beethovens Freund Andreas Streicher gab diese Büste in Auftrag, um sie gemeinsam mit den Bildnissen
anderer verehrter Musiker der Vergangenheit in einem Saal seiner Klavierfabrik aufzustellen. In diesem Raum
wurden Konzerte veranstaltet, so daß hier also bereits eine öffentliche Zugänglichkeit gewährleistet war. Zwar
ist diese Plastik in ihrer Erscheinungsform noch ganz bescheiden und hat hauptsächlich das Ziel, den Komponisten
zu porträtieren, jedoch ist mit ihr im Prinzip bereits das erste Beethoven-Monument entstanden.
Abguß der Lebendmaske Beethovens aus dem Jahr 1812
Franz Klein: Portraitbüste Ludwig van Beethoven (1812)
Wesentlich deutlicher ist der Aspekt der Verehrung für Beethoven dann bei dem Grabmal greifbar, das einige
Freunde des Komponisten auf dem Währinger Ortsfriedhof errichten ließen. Dieses ist in seiner Form einer Gruppe
von Grabmonumenten ähnlich, die am Ende des 18. und im frühen 19. Jahrhundert errichtet wurden. Dabei wurden
gerne monumentale architektonische Elemente verwendet, die den Verstorbenen auf eine erhabene Art ehren und
seiner Grabstätte so eine größere Bedeutung verleihen sollten. Vor allem Obelisken waren für diese bürgerlichen
Grabmale sehr beliebt.
Grabmal Ludwig van Beethovens auf dem Währinger Ortsfriedhof in Wien (1828)
Bald verselbständigten sich diese Erinnerungs-Monumente, und aus Grabmälern wurden bürgerliche Denkmäler. Diese
konnten nun an ganz verschiedenen Orten aufgestellt werden. Ein frühes Beispiel für ein solches echtes Denkmal
für einen Angehörigen des Bürgertums ist der Obelisk, der für den Hamburger Gymnasialprofessor Johann Georg
Büsch errichtet wurde. Die Ähnlichkeit solcher Denkmäler mit dem Grabmal für Ludwig van Beethoven macht
deutlich, daß man sich auch in Wien an solchen Vorstellungen orientierte, und daß Beethovens Grabstein an der
Grenze zwischen Erinnerungsmonument und Denkmal steht.
1830 - 1845
Das erste Beethoven-Denkmal entsteht
Schon kurz nach Beethovens Tod kam es in Bonn und Wien zu den ersten Bestrebungen, dem Komponisten ein Denkmal zu
errichten. Da es sehr ungewöhnlich war, einen erst kurz zuvor verstorbenen Künstler auf diese Weise zu ehren,
war es ein Hauptanliegen aller Beteiligten, ein modernes Monument zu gestalten. So entschieden sich sowohl der
Wiener Künstler Friedrich von Amerling (1803-1887), als auch der Dresdener Bildhauer Ernst Julius Hähnel
(1811-1891) in ihren Denkmalsentwürfen für die Darstellung Beethovens in zeitgenössischer Kleidung. Um die
schöpferische Tätigkeit Beethovens zum Ausdruck zu bringen, stellten ihn beide Künstler beim Komponieren dar -
mit der Feder in der rechten Hand.
Friedrich von Amerling: Entwurf für ein Beethoven-Denkmal (1840er Jahre)
Während es in Wien noch knapp 40 Jahre dauern sollte, ehe es endgültig zur Aufstellung eines Denkmals für
Beethoven kam, konnte in Bonn bereits im Jahr 1845 ein Monument für den Komponisten errichtet werden. Der
feierlichen Enthüllung des Denkmals war ein langwieriger Entstehungsprozeß vorangegangen, der von zahlreichen
Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern des Denkmals-Komitees geprägt war. Denn die Ansichten darüber, wie ein
Monument für Beethoven auszusehen habe, waren bei den beteiligten Musikern, Historikern und Künstlern sehr
unterschiedlich.
Ernst Julius Hähnel: Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz (1845)
Julius Hähnel konnte schließlich nach mehreren Versuchen das Bonner Kommittee mit seinem Konzept einer Statue
Beethovens auf einem hohen Sockel, der mit allegorischen Reliefs dekoriert war, überzeugen. Nachdem Franz Liszt
durch eine großzügige Geldspende die Finanzprobleme des Projektes behoben hatte, konnte das Denkmal schließlich
fertiggestellt werden. Man feierte seine Enthüllung mit einem mehrere Tage andauernden Musikfest, durch das die
Tradition der noch heute bestehenden Bonner Beethoven-Feste begründet wurde.
1845
Das Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz
Als man in Bonn einen Wettbewerb für die Gestaltung eines Denkmals für Ludwig van Beethoven ausgeschrieben hatte,
bewarben sich eine ganze Reihe mehr oder weniger bekannter deutscher Bildhauer um diesen renommé-trächtigen
Auftrag. Schließlich wählte man in Bonn den Entwurf des damals bereits in Dresden und München erfolgreich
tätigen Bildhauers Ernst Julius Hähnel. Sein Konzept wurde als modern und erhaben zugleich empfunden.
Ernst Julius Hähnel: Beethoven-Denkmal Bonn (1845)
Hähnel stellte Beethoven in der Kleidung dar, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in bürgerlichen
Kreisen Deutschlands und Österreichs üblich war: in Hemd und Halstuch, langärmeliger Jacke und langer Hose.
Allerdings fügte der Bildhauer dieser Gewandung noch einen üppigen Mantel hinzu, damit die Figur Beethovens bei
aller Modernität doch eine gewisse Erhabenheit erhielt. Die Pose des Komponisten, der in leichter
Schrittstellung gezeigt wird und in der erhobenen rechten Hand die Schreibfeder hält, soll die musikalische
Inspiration Beethovens darstellen und zugleich das Zukunftsweisende seiner Kunst ausdrücken.
Reliefs vom Sockel des Bonner Beethoven-Denkmals
Während die Beethoven-Figur, die Hähnel für das Bonner Denkmal gestaltete, in der Öffentlichkeit seiner Zeit
durchaus kritisch gesehen wurde - man empfand diesen Beethoven entweder als zu erhöht oder als zu banal, stießen
die Reliefs, die der Künstler für den hohen Sockel seines Denkmals geschaffen hatte, auf einhellige Zustimmung.
In ihnen gestaltete Hähnel allegorische Darstellungen der verschiedenen Arten der Musik, die Beethoven
komponiert hatte.
1845 - 1900
Das Nachleben des Bonner Denkmalstypus
In der Gestaltung seines Beethoven-Monumentes für Bonn folgte Ernst Julius Hähnel einem Denkmalstyp, der im 19.
Jahrhundert vor allem für die Ehrung von Künstlern und Wissenschaftlern aus Kreisen des Bürgertums sehr beliebt
war. Dabei wurden die dargestellten Personen in der Regel stehend, oft in leichter Schrittstellung, auf einem in
etwa quadratischen Sockel gezeigt, der mit Inschriften und Reliefs dekoriert war. Sie trugen zumeist die
Kleidung ihrer Zeit und erhielten oft zusätzlich einen üppigen Mantel, der wie beim Bonner Beethoven-Denkmal
dazu dienen sollte, die Figuren optisch zu vergrößern und monumentaler wirken zu lassen. Andere Beispiele für
diese Art von Denkmälern sind das Denkmal für Jean Paul in Bayreuth (1841), das Goethe-Monument in Frankfurt
(1844) oder das Herder-Denkmal in Weimar (1850).
Ernst Julius Hähnel: Beethoven-Denkmal auf dem Bonner Münsterplatz (1845)
Theodore Baur: Beethoven-Statue in der Library of Congress, Washington D.C. (2. Hälfte
19. Jahrhundert)
Diese Art der Darstellung war überall in Europa beliebt und lebte noch bis in die erste Hälfte des 20.
Jahrhunderts fort. Sie wurde z.B. auch von dem deutsch-amerikanischen Bildhauer Theodore Bauer (1835-um 1902)
aufgegriffen, als dieser die Beethoven-Statue für die Library of Congress in Washington D.C. schuf.
1845 - 1910
Die Zeit der großen Beethoven-Monumente
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte zwar vielerorts die Tradition des schlichten Denkmals fort, das
Beethoven stehend auf einem mehr oder weniger hohen Sockel zeigte. Gleichzeitig entwickelte sich aber auch ein
ganz anderer, deutlich monumentalerer Typ, bei dem der Komponist auf einem Sessel oder Thron sitzend dargestellt
wurde.
Friedrich Drake: Entwurf für ein Beethoven-Denkmal (um 1840-45)
Als einer der ersten konzipierte der Berliner Bildhauer Friedrich Drake (1805-1882) ein Denkmal dieser Art. Drake
entwickelte seine ersten Ideen wohl bereits kurz nach dem Tod des Komponisten in den 1830er Jahren. Als der
Wettbewerb für das Bonner Beethoven-Denkmal ausgeschrieben wurde, beteiligte er sich mit einem Entwurf daran,
der sich vor allem durch die Tatsache, daß Beethoven sitzend gezeigt wird, und durch die üppig dekorierte
Sockelzone auszeichnet.
Zwar wurde Drakes Entwurf vom Bonner Denkmals-Kommittee als zu heroisch abgelehnt und deshalb nicht ausgeführt,
sein Grundkonzept sollte jedoch wegweisend für die weitere Entwicklung der Beethoven-Monumente am Ende des 19.
Jahrhunderts werden.
1850 - 1910
Beethoven wird zum "Olympier"
Traditionellerweise wurden herausragende musikalische Leistungen einer Person in Portraits oder Denkmälern durch
die Beigabe einer Leier angedeutet. Dieses Instrument, das ursprünglich dem antiken Gott Apoll und den Musen
Erato und Terpsichore vorbehalten war, findet sich schon im 18. Jahrhundert immer wieder in Darstellungen von
Musikern und Komponisten. Einerseits sollte mit diesem Motiv allgemein ein Hinweis auf den musikalischen Kontext
gegeben werden, andererseits sollte aber auch konkret der Bezug zu den olympischen Gottheiten und den Musen
hergestellt werden. Zugleich wurde damit auf die göttliche Inspirationsquelle für die Musik angespielt.
Gustav Blaeser: Beethoven als Apollo (um 1840)
Apollo mit Kithara (1. Jh. v. Chr.)
Ludwig van Beethoven wurde bereits im Alter von 34 Jahren in einem Gemälde von Willibrord Joseph Mähler
(1778-1860) mit der Leier in der Hand dargestellt. Bei der Gestaltung von Denkmälern, die man für Beethoven
errichten wollte, kam es schon früh zu einer relativ eindeutigen Gleichsetzung des Komponisten mit Apoll. Denn
schon 1845 entstanden Entwürfe, die Beethoven nicht in einer realistischen Gewandung zeigen. Statt dessen wurde
der Komponist in den weiten Mantel antiker Gottheiten gehüllt und erhielt als Attribute die Leier und manchmal
sogar den Lorbeerkranz des Apoll. Ein typisches Beispiel für diese Auffassung zeigt das hier abgebildete Modell,
das Gustav Blaeser (1813-1874) für das Bonner Beethoven-Denkmal schuf.
Emil Eugen Sachse: Entwurf für ein Beethoven-Denkmal, Holzschnitt, um 1890
Während man in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dieser Art der Beethoven-Darstellung eher kritisch
gegenüberstand, da man sie als zu heroisch empfand, änderte sich der Geschmack später grundlegend. Nun wurde die
gedankliche Verbindung zwischen Beethoven und dem Musengott immer beliebter, bis es am Ende des 19. Jahrhunderts
zu einer echten Heroisierung Beethovens kam. Die Darstellung von Emil Eugen Sachse (1828-1887) läßt den Übergang
zwischen dem bürgerlichen Beethoven-Denkmal aus der Zeit um 1850 und der heroischen Auffassung der zweiten
Jahrhunderthälfte besonders gut erkennen. Beethoven ist zwar noch stehend gezeigt und trägt die Kleidung der
Zeit um 1825, sein Mantel ist aber viel voluminöser als in älteren Entwürfen und erinnert nun deutlich an die
Draperien antiker Götterstatuen. Auch der Lorbeerkranz, den der Komponist trägt, verweist auf diesen
Zusammenhang.
1878 - 1880
Das Beethoven-Denkmal von Caspar Zumbusch - I
Das wohl berühmteste Beethoven-Denkmal aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist das von Caspar Clemens von
Zumbusch (1830-1915) geschaffene Monument in Wien. Noch stärker als bei dem Entwurf von Friedrich Drake ist hier
die Tendenz zu spüren, Beethoven zu heroisieren und die Bedeutung seiner Kunst durch eine Fülle allegorischer
Figuren herauszustellen.
Caspar Zumbusch: Beethoven-Denkmal Wien (1880)
Der Komponist thront hoch oben, weit weggerückt vom Betrachter, auf den er herabblickt. Zu seinen Füßen sind an
der Front und Rückseite des Denkmals Putten dargestellt, die Beethovens Sinfonien oder allgemein seine Musik
verkörpern. An den beiden Seiten des Monumentes sind die großen Figuren des Gottes Prometheus und der Göttin
Fama angebracht. Eine dreistufige Basis trägt das gesamte Monument.
1878 - 1880
Das Beethoven-Denkmal von Caspar Zumbusch - II
Das Beethoven-Monument, das Caspar Zumbusch schuf, war nicht das erste Wiener Musiker-Denkmal. Denn schon 1862
hatte der Wiener Männergesangverein die Initiative ergriffen, um eine Statue für Franz Schubert errichten zu
lassen. Dieses Denkmal wurde von Theophilus Edvard von Hansen (1813-1891) und Carl Kundmann (1838-1919)
ausgeführt und 1872 enthüllt.
Caspar Zumbusch: Beethoven-Figur vom Beethoven-Denkmal in Wien (1880)
In den 1870er Jahren empfand man es dann geradezu als eine Ehrenschuld, in der Kaiserstadt endlich auch ein
Denkmal für Ludwig van Beethoven zu errichten und schrieb einen Wettbewerb für das Projekt aus. Namhafte
Künstler - insbesondere Franz Liszt und Johannes Brahms - unterstützten das Vorhaben mit großzügigen Spenden, so
daß das Monument am 1. Mai 1880 präsentiert werden konnte.
Caspar Zumbusch: Beethoven-Denkmal Wien (1880)
Carl Kundmann: Schubert-Denkmal Wien (1872)
Die Besonderheit und Neuartigkeit der Anlage von Caspar Zumbusch wird vor allem im Vergleich mit dem etwas
älteren Schubert-Denkmal von Karl Kundmann deutlich. Auch Kundmann hatte den Komponisten, der geehrt werden
sollte, auf einen hohen Sockel gesetzt. Auch er hatte die Form der Sitzfigur gewählt und Schubert in einen
üppigen weiten Mantel gehüllt. Dennoch wirkt sein Denkmal schlichter und bürgerlicher, fast privat. Dies hat
seinen Grund vor allem in der Gestaltung des Sockels, der beim Schubert-Denkmal mit Reliefs dekoriert worden
ist, während beim Beethoven-Denkmal hier vollplastische Skulpturen angebracht sind. So repräsentiert das Denkmal
von Caspar Zumbusch ganz das starke Selbstbewußtsein des deutschen und österreichischen Großbürgertums in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das sich selbst als Hauptträger der deutschen Kultur verstand. Ganz in
diesem Sinne sollte das Denkmal auch nicht nur als "Huldigung für einen bedeutenden Menschen" dienen, sondern
zugleich auch als "künstlerische Dekoration eines Punktes der Stadt", wie es in einem Zeitungsartikel aus dem
Jahr 1877 heißt.
Um das Jahr 1900
Von Apoll zu Jupiter
Die Verehrung Beethovens als Inbegriff des schöpferischen Künstlers erreichte am Ende des 19. und im ersten
Drittel des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Die Heroisierung des Komponisten in der bildenden Kunst blieb in
dieser Zeit nicht auf Deutschland und Österreich beschränkt, sondern sie fand auch in Werken französischer
Künstler und in verschiedenen Monumenten auf dem amerikanischen Kontinent ihren Niederschlag. Dabei
interpretierte man Beethoven nun nicht mehr als zeitgenössischen Musiker oder als inspirierten Komponisten,
sondern verglich ihn mit dem heroisch ringenden Titanen Prometheus oder mit dem weit über der Welt der Menschen
thronenden Göttervater Jupiter.
Joseph Adolf Lang: Beethoven in den Wolken (1905)
Um diese besondere Verehrung für Beethoven zum Ausdruck zu bringen, stellten verschiedene Künstler, wie z.B.
Franz von Stuck (1863-1938) oder Joseph Adolf Lang (1873-vor 1928), den Komponisten auf einem sehr hohen Thron
dar. Durch die Verwendung betont schlichter und blockhafter Formen versuchten sie zugleich, ihren Darstellungen
einen besonders monumentalen Eindruck zu verleihen. So sollte die Entfernung zwischen dem "Titanen" Beethoven
und dem Normalsterblichen ausgedrückt werden.
Max Klinger (1857-1920): Das Beethoven-Denkmal in Leipzig (1902)
Den Höhepunkt der Umsetzung derartiger spät-romantischer Vorstellungen in der bildenden Kunst stellt wohl das
Beethoven-Denkmal von Max Klinger (1857-1920) dar. Max Klinger verehrte den Komponisten Beethoven persönlich
außerordentlich. Denn nach seinem Empfinden war die Musik der Bildhauerei deutlich überlegen, da sie weniger von
der materiellen Welt abhängig und damit der Gottheit näher war als die bildende Kunst. Beethoven, der nach
Klingers Meinung als größter Komponist zu gelten hatte, war dementsprechend mehr als ein inspirierter und
kreativer Mensch. Er war in Klingers Vorstellungswelt fast zu einem Gott geworden und zum Inbegriff des
Künstlers schlechthin.
Das Beethoven-Denkmal von Max Klinger
Schon in den 1880er Jahren, als Max Klinger noch in Paris lebte und dort studierte, beschäftigte er sich mit dem
Projekt, ein Denkmal für Ludwig van Beethoven zu gestalten. Wie er später berichtete, hatte er beim Spiel am
Klavier die ersten Ideen für die Gestaltung seiner Plastik. So entstand die erste Fassung des späteren
Monumentes, die der junge Bildhauer in Gips ausführte und in kraftvollen Farben bemalte.
Max Klinger : Modell für das Leipziger Beethoven-Denkmal (1885/86)
Max Klinger: Beethoven-Denkmal Leipzig (1902)
In den Jahrzehnten kurz vor 1900 gestaltete Max Klinger nach diesem Modell eine großformatige Plastik, die er im
Jahr 1902 bei der Ausstellung der Wiener Sezession zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierte.
Auch Max Klinger stellte Beethoven als olympische Gottheit dar. Er zeigt den Komponisten mit nacktem Oberkörper.
Damit spielt der Bildhauer auf die aus der Antike überlieferte Art der Götterdarstellung an. Auch der weite
Mantel, in den der Unterkörper Beethovens gehüllt ist, und die Sandalen, die er trägt, wurden nach antiken
Vorbildern gestaltet. Beethoven sitzt auf einem reich dekorierten Thron. Zu seinen Füßen hockt ein Adler, das
Wappentier des Jupiter. Die Hände hat der Komponist geballt, sein Gesichtsausdruck ist konzentriert und
energisch.
Unterstützt wird die Überhöhung Beethovens in Klingers Plastik zusätzlich durch verschiedene allegorische Szenen
auf der Außenseite des Thrones. Denn dort wird der Komponist auch mit Erlösungsmotiven aus der christlichen
Gedankenwelt in Verbindung gebracht.
Das Beethoven-Denkmal von Max Klinger in den Räumen der Wiener Sezessions-Ausstellung
(1902)
Max Klinger stellte seine Beethoven-Plastik zum ersten Mal im Jahr 1902 in Wien aus - in einem eigenen Raum des
Sezessionsgebäudes, der von Gustav Klimt (1862-1918) mit einem Figuren-Fries dekoriert worden war. In der
Öffentlichkeit löste diese ungewöhnliche Arbeit allgemeine Empörung aus. Man empfand eine solche Darstellung
Beethovens als unpassend und verspottete sie.
Erst Jahre später konnte Klinger sein Denkmal an die Stadt Leipzig verkaufen. Von nun an galt sein Monument
jedoch als der Inbegriff des heroischen Beethoven-Denkmals, das den Komponisten als Verkörperung des
schöpferischen menschlichen Geistes zeigt, der sich durch seine Leistung bis zu den Göttern emporheben kann.
1900 - 1910
Beethoven-Monumente der Reformbewegung am Beginn des 20. Jahrhunderts
Max Klinger war nicht der einzige Künstler des frühen 20. Jahrhunderts, der seine Verehrung für Ludwig van
Beethoven zum Ausdruck brachte. Vielmehr entstand in dieser Zeit eine ganze Reihe von Arbeiten, unter denen das
Projekt des Reformkünstlers Fidus durch seine monumentale Konzeption besonders interessant ist.
Fidus war in allen seinen Aktivitäten von dem Wunsch erfüllt, die gesamte Lebens- und Weltanschauung der
modernen Welt zu reformiern. Daher wollte er auch Alternativen zur Macht der etablierten abendländischen Kirchen
und der christlichen Religion schaffen. Aus diesem Ansatz heraus entstanden verschiedene Entwürfe für Tempel,
die herausragende Leistungen und Ideen der abendländischen Kultur verherrlichen sollten.
Hugo Höppener, genannt Fidus: Entwurf für einen Beethoven-Tempel (1903)
In diesem Zusammenhang ist auch sein Entwurf für einen "Beethoven-Tempel" zu sehen. Der Komponist sollte durch
einen überkuppelten Rundbau geehrt werden, in dessen Zentrum sein überdimensionales plastisches Portrait stehen
sollte.
Schon im Jahr 1900 war der erste Entwurf für diese Plastik entstanden. Er zeigt ein Brustbild Beethovens, vor
dem eine nackte weibliche Gestalt steht - vermutlicht die Verkörperung der menschlichen Seele.
Wie viele andere Projekte von Fidus, so blieb auch sein "Beethoven-Tempel" ein bloßer Entwurf - zu einem
tatsächlichen Bau des Tempels kam es nicht.
1900 - 1910
Auf der Suche nach neuen Formen
Während Max Klinger oder Fidus ihre romantischen Vorstellungen von Beethoven als "Übermensch" entwickelten, gab
es andere, vollständig von diesem Blickwinkel abweichende Ideen dafür, wie ein Beethoven-Denkmal auszusehen
habe. Einige dieser Entwürfe orientierten sich stark an den traditionellen Typen und Formen des 19.
Jahrhunderts, andere versuchten, neue Wege zu beschreiten.
Robert Weigl: Beethoven-Denkmal in Heiligenstadt (1902-1910)
Martin Tejcek: Beethoven beim Spaziergang (1841)
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang das Beethoven-Denkmal, das Robert Weigl (1851/52-1902) in
Wien-Heiligenstadt errichtete. Denn Weigls Ansatz unterscheidet sich grundlegend von Konzepten der
Spätromantiker und orientiert sich vielmehr an der naturalistischen Auffassung des mittleren 19.
Jahrhunderts.
Das unmittelbare Vorbild für seine Beethoven-Figur bildet eine Lithographie von Martin Tejcek (1780-1847), die
Beethoven beim Spaziergang zeigt. Diese Darstellung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde vom
Bildhauer fast ganz genau in die Plastik übertragen und so eine sehr realitätsnahe Darstellung geschaffen.
Dieses Beethoven-Denkmal sollte den Eindruck erwecken, als begegne der Betrachter dem Komponisten unmittelbar
beim Spaziergang in der Natur. Beethoven wurde hier also ganz in die menschliche Sphäre einbezogen.
Schon wenige Jahre nach der Aufstellung dieser Plastik wurde ein solches Konzept als zu wenig monumental
empfunden. So schuf man im Jahr 1910 eine architektonische Einfassung mit einer Säulenreihe, um die Statue so
optisch von der Welt des Betrachters abzurücken.
Beethoven-Darstellungen unter dem Einfluß Auguste Rodins
Antoine Bourdelle - I
Nicht nur in Deutschland und Österreich erlebte die Verehrung für Ludwig van Beethoven in den Jahren um 1900
einen besonderen Höhepunkt, sondern auch in Frankreich beschäftigten sich Literaten und bildende Künstler in
dieser Zeit intensiv mit Beethoven und seiner Kunst. Für die Entwicklung eines neuartigen und modernen Typs von
Denkmälern für den Komponisten spielten vor allem zwei in Paris lebende Künstler eine herausragende Rolle:
Antoine Bourdelle (1862-1929) und Naoum Aronson (1873-1943). Beide waren Schüler und Mitarbeiter Auguste Rodins
(1840-1917), des wohl bedeutendsten europäischen Bildhauers im ausgehenden 19. Jahrhundert. Und beide sind im
Stil ihrer Arbeiten stark von den expressiven Werken Rodins beeinflußt.
Emile-Antoine Bourdelle: "Beethoven au foulard" (um 1890)
Emile-Antoine Bourdelle beschäftigte sich Zeit seines Lebens intensiv mit Ludwig van Beethoven. Schon 1889
entstanden seine ersten Beethoven-Büsten, und bis zu seinem Tod im Jahr 1929 setzte sich Bourdelle immer wieder
mit der Person und der Kunst des großen Komponisten auseinander. Im Lauf seines Lebens schuf er eine Vielzahl
von Zeichnungen, Entwürfen und Modellen sowie Plastiken, die Beethoven zeigen. Noch heute sind mehr als 20
Portraits des Komponisten von der Hand Bourdelles in verschiedenen Varianten erhalten.
Emile-Antoine Bourdelle: "Beethoven" (1902)
Zwar war Bourdelles Verehrung für Beethoven ähnlich groß wie diejenige der deutschen Spätromantiker, jedoch
weicht sein Stil völlig von dem der deutschen Künstler ab. Denn Bourdelle ist spätestens ab 1900 nicht mehr an
einer realistischen Wiedergabe Beethovens interessiert. Im Zentrum seines Interesses steht vielmehr eine
monumentale Darstellung des Komponisten, die Pathos, Tragik und heroische Leidenschaft ausdrücken soll. Dafür
verwendet er freie und von heftiger Bewegung erfüllte Formen, die in ihrer Expressivität und Leidenschaft an den
Arbeiten Rodins orientiert sind.
Beethoven-Darstellungen unter dem Einfluß Auguste Rodins
Antoine Bourdelle - II
Die Faszination, die Beethoven auf Antoine Bourdelle ausübte, dauerte bis zum Tod des Bildhauers an. Noch aus
Bourdelles letzten fünf Lebensjahren sind nicht weniger als sechs Büsten und Skulpturen bekannt, die den
Komponisten zeigen.
Emile-Antoine Bourdelle: "La Pathétique" (1929)
Die späteste Arbeit ist diese Figur, die "La Pathétique" oder "Beethoven à la croix" betitelt ist und noch einmal
zum Ausdruck bringt, wie sehr Beethoven für die bildenden Künstler des späten 19. und des frühen 20.
Jahrhunderts zum Inbegriff des leidenden und ringenden Genies wurde. Wie das Kreuzsymbol zeigt, wurde der
Komponist nun nicht nur mit heidnischen Gottheiten gleichgesetzt, sondern er konnte sogar als leidender Erlöser
im christlichen Sinne interpretiert werden. Die Beethoven-Plastiken Bourdelles wurden so zugleich zu einem
intimen Bekenntnis des Künstlers über sein eigenes Inneres und über sein Selbstverständnis als schöpferisch
arbeitender und ringender Geist.
Beethoven-Darstellungen unter dem Einfluß Auguste Rodins
Das Beethoven-Denkmal von Naoum Aronson in Bonn
Der zweite Rodin-Schüler, der sich mit der Gestaltung eines Denkmals für Ludwig van Beethoven beschäftigte, war
der aus Lettland stammende Bildhauer Naoum Aronson (1873-1943).
Naoum Aronson : Das Beethoven-Denkmal im Garten des Beethoven-Hauses Bonn (1905)
Naoum Aronson besuchte im Sommer 1905 die Konzerte des siebten Bonner Kammermusikfestes, das vom Verein
Beethoven-Haus veranstaltet wurde. Unter dem unmittelbaren Eindruck der dort aufgeführten Musik entstanden
bereits während dieses Besuchs die ersten Studien für eine Beethoven-Büste.
Naoum Aronson: Entwürfe und Modelle für das Beethoven-Denkmal in Bonn (Sommer 1905)
Wenig später schuf Aronson in Paris ein monumentales Gipsmodell. Sein Beethoven-Portrait wirkt besonders durch
die Neigung des Kopfes und die tiefe Verschattung der Augenpartie sehr eindringlich. Denn dadurch, daß der Blick
des Komponisten vom Betrachter weggewandt ist, erscheint Beethoven hier als ein von leidenschaftlichen Ideen
erfüllter, aber ganz in seine eigene Welt entrückter Künstler - eine Auffassung, die ganz den Vorstellungen des
frühen 20. Jahrhunderts entsprach. Aronson machte sein Modell dem Verein Beethoven-Haus in Bonn zum Geschenk.
Hier fand diese moderne Darstellung Beethovens so großen Anklang, daß der Bildhauer im August 1905 mit der
Ausführung einer Fassung der Büste in Bronze beauftragt wurde. Im Herbst des Jahres 1905 wurde der Sockel für
die Plastik, ebenfalls nach Aronsons Entwurf, in Granit ausgeführt. So konnte das Denkmal schließlich am 17.
Dezember 1905 in einer feierlichen Zeremonie im Garten des Beethoven-Hauses enthüllt werden. Hier ist es auch
heute noch zu sehen und wird von den Besuchern des Museums noch immer sehr bewundert.
1920 - 1939
Beethoven-Denkmäler zwischen Tradition und Modernität
Die allgemeine Verehrung Beethovens erlebte im Jahrzehnt zwischen 1920 und 1930 noch einmal einen besonderen
Höhepunkt. Dies stand einerseits mit der Tatsache in Verbindung, daß sich im Jahr 1927 der Todestag des
Komponisten zum hundertsten Mal jährte. Andererseits dürfte gerade in Deutschland die starke Beschäftigung mit
Beethoven in diesen Jahren auch durch die traumatischen Erfahrungen des 1. Weltkriegs verursacht worden sein.
Denn nach der militärischen Niederlage bezog man vor allem aus kulturellen Leistungen ein nationales
Selbstbewußtsein.
Theodor Gosen: Das Beethoven-Denkmal in Mexico City (1921)
Die Denkmäler und Denkmalsentwürfe, die in dieser Zeit entstanden, zeichnen sich durch eine große Vielfalt in
ihren Konzepten und in ihrem Stil aus. Gemeinsam ist fast allen diesen Projekten, daß man nun weniger Beethoven
als Person ehren wollte, als vielmehr seine Musik. So entstanden ganz unterschiedliche Ansätze, die die
künstlerische Leistung Beethovens zum Hauptmotiv machten und die Darstellung des Komponisten eher am Rande mit
einbezogen.
Ein Beispiel für einen solchen Versuch ist das Beethoven-Denkmal von Theodor von Gosen (1873-um 1925) in Mexico
City. Hier sind die allegorischen Motive, die im 19. Jahrhundert gewöhnlich in der Sockelzone eines Denkmals
angebracht worden waren, zum wichtigsten Element der Komposition geworden. Auf einem hohen Podest ist ein
geflügelter Genius zu sehen, der von einer knienden Gestalt - der leidenden menschlichen Seele - um Erlösung
angefleht wird. Daß der Weg zu dieser Erlösung über die Musik Beethovens beschritten werden kann, deutet die
Maske des Komponisten an, die am Sockel des Monumentes angebracht ist.
1926
Das Projekt für ein Beethoven-Denkmal in Berlin
Als man im Jahr 1926 in Berlin einen Wettbewerb für ein Beethoven-Denkmal ausschrieb, fand die Suche nach neuen
Formen für ein solches Monument einen neuen Höhepunkt. Eine ganze Reihe namhafter Bildhauer sandte Entwürfe und
Modelle ein, darunter Ernst Barlach (1870-1938) und Georg Kolbe (1877-1947). Das Vorhaben wurde in der deutschen
Presse ausgiebig besprochen und zum Teil heftig kritisiert. Da die Meinungen innerhalb des
Wettbewerbs-Kommittees und in den Medien sehr unterschiedlich waren und das gesamte Projekt heftig umstritten
war, kam es schließlich nicht zu einer Preisvergabe und man gab den Plan für ein neues Berliner
Beethoven-Denkmal schließlich ganz auf.
Von den eingereichten Entwürfen wurden nur zwei später tatsächlich als Denkmäler ausgeführt - diejenigen von
Georg Kolbe und Peter Christian Breuer (1856-1930).
Peter Christian Breuer: Modell für eine Beethoven-Sitzplastik (1910 oder 1926)
Das Beethoven-Denkmal, das der aus Köln stammende Bildhauer Peter Christian Breuer entwarf, hat eine besonders
lange und wechselhafte Geschichte. Breuer hatte sich anscheinend schon in den Jahren um 1910 mit der Gestaltung
eines Denkmals für Ludwig van Beethoven beschäftigt. Jedoch kam es nicht zu einem größeren Projekt. Als der
Berliner Wettbewerb ausgeschrieben wurde, sandte auch Breuer Entwürfe ein, wobei er u.U. auf seine älteren Ideen
zurückgriff.
Peter Christian Breuer (1856-1930): Modell für ein Beethoven-Denkmal (1926)
Peter Christian Breuer (1856-1930): Modell für ein Beethoven-Denkmal (1926-1930)
Nun konzipierte Breuer eine weitläufige Anlage, die sich aus architektonischen Elementen und verschiedenen
figürlichen Darstellungen zusammensetzte. Im Zentrum sollte die überlebensgroße Sitzfigur Ludwig van Beethovens
zu sehen sein. Nachdem das Berliner-Denkmalsprojekt aufgegeben worden war, interessierte sich die Stadt Bonn für
Breuers Entwurf. Der Bildhauer scheint sein Konzept daraufhin umgearbeitet zu haben. Die ursprünglich geplante
Anlage sollte nun kleiner und schlichter werden und in eine parkähnliche Landschaft integriert werden.
1926 - 1938
Das Beethoven-Denkmal von Peter Christian Breuer
Peter Christian Breuer / Friedrich Diederich:
Beethoven-Figur in der Bonner Rheinaue (1926-1938)
Peter Christian Breuer / Friedrich Diederich:
Beethoven-Figur in der Bonner Rheinaue (1926-1938)
Schließlich wurde nur ein Element aus Breuers Modellen tatsächlich in größerem Format ausgeführt. Fritz
Diederich, ein langjähriger Mitarbeiter Breuers, führte die Figur Beethovens in Granit aus. Erst nach Breuers
Tod wurde diese Plastik im Jahr 1938 am "Alten Zoll" in Bonn aufgestellt. 1949 trug man sie jedoch wieder ab,
und erst 1977 entschied man sich erneut zu einer öffentlichen Präsentation der Figur. Breuers Beethoven-Plastik
ist seitdem in der Bonner "Rheinaue" zu sehen.
Peter Christian Breuer/Friedrich Diederich:
Beethoven-Figur in der Bonner Rheinaue (1926-1938
1950 - 2000
Die Zeit der Experimente - I
Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte man bei der Gestaltung von Denkmälern für Ludwig van
Beethoven nach neuen Konzepten gesucht. Da durch die Erfahrungen des 2. Weltkrieges viele der zuvor anerkannten
Formen und Inhalte in Frage gestellt wurden, verstärkte sich diese Tendenz in den Jahren nach 1945 noch
deutlich.
So entwickelten sich vielfältige Neuansätze, die in ihrer Aussage und in ihrem Stil oft sehr unterschiedlich
waren. Der amerikanische Bildhauer Eugen Ciuca (*1913) wählte z.B. rein abstrakte Formen, um in seinen
Denkmals-Entwürfen vor allem seine Verehrung für Beethovens Musik ins Bild zu setzen.
Klaus Kammerichs: "Beethon" - Das Beethoven-Denkmal vor der Bonner Beethoven-Halle
(1986)
Einen ganz anderen Weg, der den Umgang mit Beethoven als Person thematisiert, beschritt der Düsseldorfer
Bildhauer Klaus Kammerichs. Er schuf eine großformatige, drei-dimensionale Umsetzung des Beethoven-Portraits von
Joseph Karl Stieler (1781-1858). Stielers Gemälde, das im Jahr 1820 entstand, gehört heute zu den populärsten
Beethoven-Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert.
Joseph Karl Stieler: Ludwig van Beethoven mit dem Manuskript der Missa solemnis
(1820)
Das Denkmal, das Klaus Kammerichs 1986 vor der Beethoven-Halle in Bonn errichtete, fängt die gesamte
grundsätzliche Problematik ein, die die moderne Gesellschaft in ihrem Umgang und ihrer Einstellung gegenüber
herausragenden Künstlern der Menschen der Vergangenheit hat. Denn der Bildhauer bezog sich in seiner Arbeit auf
ein Portrait, das wie kein anderes die heutige Vorstellung vom Aussehen des Komponisten geprägt hat. So entstand
nicht nur ein Monument mit großem Wiedererkennungscharakter, sondern Kammerichs machte zugleich auch deutlich,
wie sehr der Blick des modernen Betrachters auf Beethoven von Konventionen und Vorstellungen aus der
Vergangenheit geprägt ist.
1950 - 2000
Die Zeit der Experimente - II
Klaus Kammerichs' Beethoven-Denkmal trug bei seiner ersten öffentlichen Präsentation noch nicht den heutigen
Titel "Beethon". Vielmehr wurde es ursprünglich als "Mythos Beethoven" bezeichnet. Es ist also von vornherein
mit dem Ansatz entstanden, die Problematik im heutigen Umgang mit Beethoven ins Bild zu setzen.
Klaus Kammerichs: Frontansicht des Beethoven-Denkmals vor der Bonner Beethoven-Halle
(1986)
Klaus Kammerichs: Rückansicht des Beethoven-Denkmals vor der Bonner Beethoven-Halle
(1986)
Die Geschichte der Beethoven-Denkmäler des 19. und 20. Jahrhunderts spiegelt nicht nur die Entwicklung einer
Kunstgattung wider, sondern sie steht in engster Verbindung mit der Art, wie sich die Verehrung für Ludwig van
Beethoven in den verschiedenen Epochen äußerte. Alle Denkmalsprojekte werfen zugleich ein Licht auf die
generelle Einstellung, die eine breitere Öffentlichkeit Beethoven gegenüber einnahm.
Die Tatsache, daß die ersten Bemühungen um ein Denkmal für den Komponisten bereits wenige Jahre nach Beethovens
Tod unternommen wurden und daß bis in die Gegenwart hinein immer wieder Beethoven-Denkmäler entworfen und
errichtet werden, zeigt einerseits die nach wie vor ungebrochene Ausstrahlung des Komponisten und seiner Musik.
Andererseits enthüllt sie auch, wie groß das allgemeine Bedürfnis war und ist, einen herausragenden Künstler
durch ein öffentlich präsentiertes Bildwerk zu ehren. Man darf deshalb heute schon darauf gespannt sein, wie das
dritte Jahrtausend "seine" Monumente für Beethoven gestalten wird.
laus Kammerichs: Seitliche Ansicht des Beethoven-Denkmals vor der Bonner
Beethoven-Halle (1986)
Literatur
Allgemein zum Thema
F. J. Alai: Beethoven glorified in statues. London 2000.
I. Bodsch: 'Monument für Beethoven'. Die Künstlerstandbilder des bürgerlichen Zeitalters als Sinnstifter
nationaler Identität?
in: I. Bodsch (Hrsg.): Monument für Beethoven. Bonn 1995, S. 157-177
R. Cadenbach: Mythos Beethoven. Laaber 1986.
H. Hallensleben: Das Bonner Beethoven-Denkmal als frühes "bürgerliches Standbild"
in: I. Bodsch (Hrsg.): Monument für Beethoven. Bonn 1995, S. 29-37.
J. Schmoll genannt Eisenwerth: Zur Geschichte des Beethovendenkmals
in: Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft. Bd 1. Kassel 1966, S. 242-277.
Zu einzelnen Künstlern und Denkmälern
S. Einholz: Peter Breuer (1856-1930). Ein Plastiker zwischen Tradition und Moderne.
Phil. Diss. Berlin 1984.
D. Gleisberg (Hrsg.): Max Klinger, 1857-1920. Leipzig 1992.
H. Guratzsch (Hrsg.): Max Klinger. Bestandskatalog der Bildwerke, Gemälde und Zeichnungen im Museum der
bildenden Künste Leipzig. Leipzig 1995.
I. Jianou / M. Dufet: Bourdelle. Paris 1984.
G. Kapner: Ringstraßendenkmäler. Zur Geschichte der Ringstraßendenkmäler. Dokumentation. Wiesbaden 1973.
E.-M. Klother: Emile Antoine Bourdelle: 'Ludwig van Beethoven (Grand Masque Tragique)', 1901
in: Kölner Museums-Bulletin. (2003) 4, S. 13-22.
H. Loos: Max Klinger und das Bild des Komponisten
in: Imago Musicae. 13 (1996), S. 165-188.
P. Naredi-Rainer: Granitstarker Klang. Max Klingers "Beethoven", die Musik Gustav Mahlers
und die Sprache der Materialien
in: P. Naredi-Rainer (Hrsg.): Imitatio. Berlin 2001, S. 218- 227.
S. Schaal: Das Beethovendenkmal von Ernst Julius Hähnel in Bonn
in: I. Bodsch (Hrsg.): Monument für Beethoven. Bonn 1995, S. 39-134.
R. Y: Fidus, der Tempelkünstler. T. 1.2. Göppingen 1985.
Impressum
Herausgeber:
Beethoven-Haus Bonn
Bonngasse 24-26
D-53111 Bonn
Deutschland
Inhalte der Internet-Ausstellung:
Dr. Silke Bettermann