Der Sammler
Familie und Studium
Hans Conrad Ferdinand Bodmer wurde am 16. Dezember 1891 in eine der vornehmsten und begütertsten Zürcher Familien
hineingeboren. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts war die Familie in der Stadt an der Limmat ansässig und als
Handwerker, Kaufleute und Fabrikanten zu beträchtlichem Vermögen und einflussreichen Ämtern gekommen. Die Kultur
nahm einen hohen Stellenwert in der Familie ein. Die fünf Kinder von Hans Conrad und Mathilde Bodmer, geb.
Zoelly, lernten in ihrem Elternhaus bedeutende Persönlichkeiten wie Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal und
Thomas Mann kennen. Der dritte Vorname ist entlehnt von Conrad Ferdinand Meyer, der auch die Patenschaft
übernahm. Mit Hans Conrad und seinem acht Jahre jüngeren Bruder Martin gingen gleich zwei der bedeutendsten
Privatsammler des 20. Jahrhunderts aus der Familie hervor. Martin Bodmer widmete sein ganzes Leben der
umfassenden Aufgabe, eine "Bibliothek der Weltliteratur" (Bibliotheca Bodmeriana) zusammenzutragen. Hingegen
konzentrierte sich Hans Conrad Bodmer ganz auf Ludwig van Beethoven. In jungen Jahren hörte er in einem Konzert
die "Coriolan"-Ouvertüre op. 62 und eine Symphonie; seitdem übte Beethoven eine nie nachlassende Faszination auf
ihn aus. Auch durch sein Geburtsdatum - er teilte gerne die Annahme, Beethoven sei wie er am 16. Dezember
geboren - fühlte er sich besonders mit dem Komponisten verbunden.
Hans Conrad Bodmer, Berlin 1933, Foto: Privatbesitz Bonn
Bodmer spielte selbst Geige und sang im Chor. Von Volkmar Andreae, langjähriger Chefdirigent des
Tonhalle-Orchesters, erhielt er eine erste Einführung in Musiktheorie. Nach dem Abitur studierte er dann in den
Jahren 1913-1916 in Berlin bei Max Friedländer und Hermann Kretzschmar Musikwissenschaft und nahm bei Emil
Nikolaus von Reznicek privaten Kompositionsunterricht. Von seinen Kompositionen haben sich allerdings nur einige
wenige erhalten, darunter zwei Lieder nach Gedichten von Ludwig Uhland und Eduard Mörike und mehrere Fugen für
gemischten Chor und Orgel bzw. für Klavier. Im Zusammenhang mit Beethoven besonders interessant ist eine
Kyrie-Doppelfuge. Sie basiert nämlich auf dem Thema einer Doppelfuge in F-Dur für vierstimmigen gemischten Chor,
die Beethoven 1794/1795 bei seinem eigenen Unterricht bei Johann Georg Albrechtsberger entworfen hatte.
Beethovens Manuskript wurde 1916 bei Karl Ernst Henrici in Berlin angeboten und könnte eine von Bodmers ersten
Erwerbungen gewesen sein.
Ludwig van Beethoven, Entwurf einer Doppelfuge für vierstimmigen gemischten Chor
Hans Conrad Bodmer, Doppelfuge über dasselbe Thema Privatbesitz Bonn
Bodmers Komposition enthält wie auch seine weiteren Fugen Korrekturvermerke seines Lehrers Reznicek. In einer
Analyse seiner eigenen Kyrie-Doppelfuge merkte er an: "Ein mir zu Gesicht gekommenes Skizzenblatt Beethovens
enthielt dieses 6taktige Doppeltema mit Text. [•] Es war für mich ein famoses Gefühl dieses unverwendete Tema
Beeth. zu verarbeiten!"
Bodmer blieb seinem Lehrer auch über seine Berliner Zeit hinaus verbunden. Reznicek widmete ihm 1918 seine
Symphonie im alten Stil. 1920 reiste Bodmer zur Uraufführung von Rezniceks Oper "Ritter Blaubart" nach Darmstadt
und sorgte später auch für eine Produktion der Oper am Zürcher Stadttheater, indem er die ganze Aufführung samt
Kostümen und Dekorationen finanzierte.
Später hat Bodmer ganz auf eine eigene künstlerische Tätigkeit verzichtet. Stattdessen wandte er sich in eine
völlig anderen Richtung: Im Februar 1928 begann der 36-jährige an der Universität seiner Heimatstadt Medizin zu
studieren. Seine klinischen Semester absolvierte Bodmer bei dem fünf Jahre jüngeren Otto Mauritz Schürch, der im
Oktober 1935 seine Tochter Charlotte heiratete. Nach 10 Jahren - Bodmer hatte das Studium wegen einer
Lungenentzündung über ein Jahr unterbrechen müssen - schloss er dann mit Staatsexamen und Promotion ab. 1939
erschien seine Dissertation "Über Lungensarkome beim Kinde". Bodmer hat den Beruf eines Arztes aber nie
ausgeübt.
Bodmers Dissertation aus dem Jahre 1939 Privatbesitz Bonn
Neben seiner Großzügigkeit, für Hermann Hesse errichtete er das Anwesen in Montagnola und räumte ihm dort ein
lebenslanges Wohnrecht ein, und seiner Begeisterungsfähigkeit war seine stark ausgeprägte Naturliebe ein
weiterer wesentlicher Charakterzug. Er liebte die Ruhe und Erhabenheit der Bergwelt, die er als Bergsteiger auf
ausgedehnten Touren genoss. Eine ausgeprägte Leidenschaft hegte er für Pferde; in Rüschlikon und München-Riem
betrieb er eigene Reitställe. Aber er hatte auch Haustiere wie Hunde, Katzen und sogar einen "Sir Henry Fish"
genannten Goldfisch.
Bodmer mit seinen Pferden in seinem Reitstall in München-Riem, Foto: Privatbesitz
Bonn
1916, in seinem letzten Berliner Studienjahr, hatte Bodmer Elsa Stünzi geheiratet. Er hatte seine spätere Frau
bei einem Konzertbesuch kennen gelernt, wo sie zufällig neben ihm gesessen hatte. Hans Conrad und Elsa Bodmer
bekamen drei Kinder: die schon erwähnte Charlotte, Hans Conrad und Peter.
Elsa Bodmer mit ihrem Hund, um 1950, Foto: Privatbesitz Bonn
Der Sammler
Aufbau der Sammlung
Im Januar 1916 starb Bodmers Vater. Er hinterließ seiner Witwe und seinen Kindern ein stattliches Vermögen. So
finanziell hervorragend abgesichert, konnte H.C. Bodmer (wie es auch schon sein Vater getan hatte, reduzierte er
nach dessen Tod seine Vornamen auf die Initialen) ohne Sorgen mit dem Aufbau seiner Beethoven-Sammlung beginnen.
Grundlage war ein kleiner Bestand an Beethoveniana aus altem Familienbesitz, nämlich die Originalausgaben der
Drei Violinsonaten op. 12 und der Drei Klaviersonaten op. 31. Die Zeit war für sein Vorhaben sehr günstig, da
sich noch viele Beethoven-Dokumente in Privatbesitz befanden und die große Wirtschaftskrise der 1920er Jahre
sowie die Folgen beider Weltkriege zu einem breiten Angebot auf dem Autographen- und Antiquariatsmarkt führten.
Bodmer erwarb einen Großteil seiner herausragenden Stücke bei Auktionen, trat aber nie selbst auf, sondern
agierte immer über Händler, da er größten Wert auf Diskretion bezüglich seiner Sammlung legte. Seinen
Kommissionären gab er stets klare Limite vor, kaufen zu jedem Preis lag ihm fern. Zu dem Zürcher Antiquar August
Laube pflegte er bald eine enge Beziehung, Laube übernahm denn auch ganz überwiegend die Ankäufe. So bot er auch
erfolgreich mit, als durch Ernst Henrici in Berlin die Autographen des aufgelösten Musikhistorischen Museums von
Wilhelm Heyer in Köln versteigert wurden. Durch die herausragenden Handschriften der Klaviersonate Fis-Dur op.
78, der Posaunenstimmen zur 9. Symphonie, des Entwurfs einer Denkschrift an das Appellationsgericht, eines
Konversationsheftes sowie mehrerer Briefe erhielt Bodmers Sammlung bedeutenden Zuwachs.
Auktionskatalog von Sotheby's
August Laube (ganz rechts) bei einer Auktion, vermutlich in den 1920er Jahren
Ein weiteres Kernstück der Sammlung, die "Waldstein-Sonate" op. 53, erwarb Bodmer 1938 von den Nachkommen des
Widmungsträgers.
Den Sammlungsschwerpunkt Beethoven-Briefe konnte Bodmer durch die Übernahme der kompletten noch vorhandenen
Briefbestände aus den Verlagsarchiven von Simrock in Bonn (später Berlin), Artaria & Co. in Wien und Breitkopf
und Härtel in Leipzig ausbauen. Rein zahlenmäßig überwiegen die Beethoven-Briefe weit alle anderen Objekte. Auch
seine letzten überhaupt getätigten Ankäufe fallen in diese Kategorie. Vom Krankenbett aus erteilte er August
Laube zwei Aufträge für die Auktion von Sotheby's in London vom
27. März 1956. Der dortige Gewährsmann Heinrich Eisemann erhielt den Zuschlag für einen Brief an Beethovens
Vermieter Johann Speer in Mödling und einen bisher unveröffentlichten Brief an seinen Verleger Maurice
Schlesinger.
Auktionskatalog von Sotheby's
Rechnung von Sotheby's an Laube
Zum Beethoven-Jahr 1927 plante Bodmer die Herausgabe eines Privatdrucks in einer kleinen, aber feinen Auflage von
100 Stück. In drei Kapiteln sollte eine Auswahl von Briefen, Musikautographen sowie Bildern und Reliquien seiner
Sammlung erstmals öffentlich vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang wurden ausführliche Inventarlisten
erstellt, die die beachtliche Qualität und Quantität der ja erst 10 Jahre zuvor begonnenen Sammlung zeigen.
Leider scheiterte das Vorhaben, da der von Bodmer beauftragte Autor Leopold Schmidt schwer erkrankte und am 30.
April d.J. verstarb.
Max Unger war der erste ausgewiesene Beethoven-Forscher, der uneingeschränkten Zugang zu Bodmers Sammlung
erhielt. 1932 ernannte Bodmer ihn zum Kustos der Sammlung. In den folgenden Jahren widmete Unger sich dann
schwerpunktmäßig der Katalogisierung, Erschließung und dem Ausbau der Sammlung Bodmer. So verfasste er auch
immer wieder Gutachten für Bodmer, wenn neue Stücke angeboten wurden. Nach mehreren Aufsätzen erschien dann 1939
schließlich ein vollständiger, ausführlicher Sammlungskatalog in den von Bodmers Bruder Martin verlegten
Schriften der Corona. Der Katalog erschien anonym ohne Namensnennung des Sammlers und ohne Ortsangabe. Lediglich
der Titel "Eine Schweizer Beethoven-Sammlung" gab einen Hinweis für ohnehin schon Eingeweihte.
Der Sammler
"This small but unique museum". Das Haus "Zur Arch"
Bodmers Anwesen in der Zürcher Bärengasse
Die Beethoven-Sammlung war im ersten Stock des rechten Gebäudes untergebracht. Foto: Privatbesitz Bonn
Für seine wertvolle Sammlung hatte Bodmer drei Räume in seinen gemütlichen alten Häusern in der Bärengasse 22
eingerichtet. Schon seit 1818 war die so genannte "Arch" der Stammsitz der Familie. Die Beethoven-Sammlung
bekamen nur wenige Gäste zu sehen. Bodmer betrachtete sie zu diesem Zeitpunkt noch als seine eigene Welt, die er
nur mit "moralisch berechtigten" Auserwählten teilen mochte. Hierzu zählten die herausragenden
Beethoven-Interpreten Wilhelm Backhaus, Alfred Cortot, Walter Gieseking, Wilhelm Furtwängler sowie Pablo Casals
mit seinen Triopartnern Sándor Végh und Mieczyslaw Horszowski. In der Gewissheit, dass Beethovens
Originalhandschriften und auch die gesamte Atmosphäre der drei Räume die Künstler in besonderer Weise
inspirieren würden, gewährte Bodmer ihnen gerne Einlass. Nur wenige Forscher genossen das Privileg, die
Handschriften studieren zu können. So bekamen der in New York lehrende Erich Hertzmann und die Engländerin Emily
Anderson, die an ihrer Beethoven-
Briefausgabe arbeitete, diese Möglichkeit. Im Gegenzug prüfte Hertzmann für ihn die autographen Stimmen von
Beethovens letztem Streichquartett op. 135, die Bodmer im Begriff war, zu erwerben. Anderson beschrieb die
besondere Aura der "Arch" folgendermaßen: "Entering this small but unique museum the visitor immediately feels
that something of Beethoven´s spirit has come to settle there."
Dankschreiben von Wilhelm Backhaus
Mit der Internationalen Musik-Ausstellung in Luzern im Sommer 1938 geriet die Sammlung Bodmer erstmals ins Licht
einer breiteren Öffentlichkeit. Bodmer trug nämlich zu dieser großen Ausstellung über 100 Exponate bei, so dass
die Beethoven-Abteilung fast ausschließlich seiner Sammlung entlehnt war. In diesem Zusammenhang schrieb der
Stadtpräsident von Luzern an Max Unger: "Es soll insbesondere die unerhört schöne und reiche Beethoven-Sammlung
Bodmers einmal möglichst eindrücklich der schweizerischen und ausländischen Oeffentlichkeit vor Augen geführt
werden. Der vornehmste Schweizersammler hat erfreulicherweise sein Sinnen und Trachten dem Größten der Grossen
zugewandt und dieser muss in den Vordergrund der Ausstellung gerückt werden." Durch die ausführliche
Berichterstattung auch in der internationalen Presse wurde die Sammlung auch über Fachkreise hinaus zu einem
Begriff.
Im Juni 1949 beteiligte sich Bodmer erneut an einer Ausstellung. Auf Vermittlung seines Bruders trug er 18
besonders wichtige Stücke seiner Sammlung zur "Exposition des Trésors Musicaux de Suisse" im nahe Genf gelegenen
Chateau de Nyon bei. Die Ausstellung wurde u.a. von dem späteren Verfasser einer bekannten
Beethoven-Bildbiographie Robert Bory kuratiert.
Zwei Seiten aus Bodmers eigenhändigem Nachtragskatalog
Hier der Eintrag zu den beiden Autographen des Streichquartetts F-Dur op. 135
Der Sammler
Bodmer und das Beethoven-Haus I
Im Jahre 1932 wurde Bodmer die Mitgliedschaft im seit 1889 bestehenden Verein Beethoven-Haus angetragen, was er
"selbstredend [als] grosse Freude & Ehre" betrachtete. Der damalige Vorsitzende des Vereins und Direktor des
Beethoven-
Archivs Prof. Ludwig Schiedermair hatte von Max Unger erfahren, dass Bodmer im Besitz einer großen
Beethoven-Sammlung sei und er diese katalogisieren dürfe. Allerdings wurden in den folgenden Jahren Nachfragen
aus Bonn z.B. nach Reproduktionen zunächst noch systematisch abgeblockt. So schrieb August Laube an Bodmer: "Das
Beethoven-Museum soll doch bitte einmal Vernunft annehmen und zuwarten, bis Sie Ihre Sammlung, die ja gut
verwahrt ist, für Archivzwecke freigeben."
Mitgliedskarte Verein Beethoven-Haus Bonn
Diese abweisende Haltung sollte allerdings später ins Gegenteil umschlagen. Nach seinem ersten Besuch im
Beethoven-Haus anlässlich der Feierlichkeiten zum 125. Todestag des Komponisten am 26. März 1952 entwickelte
sich rasch eine intensive, herzliche Beziehung zwischen Bodmer und dem Beethoven-Haus. Der damalige Direktor
Prof. Schmidt-Görg hatte die offizielle Gedenkfeier mit Kranzniederlegung am Beethoven-Denkmal mit seinem Gast
zeitig verlassen, um ihn zum Glockengeläut ins Geburtszimmer zu führen. Bodmer bedankte sich für dieses starke
emotionale Erlebnis mit folgenden Worten: "Die herrliche Beethoven-Feier, besonders die Augenblicke, die ich mit
Ihnen im Geburtszimmer Beethoven's beim Läuten der Bonner Glocken verleben durfte, bleibt für mich eine der
schönsten Erinnerungen." Schmidt-Görg und seiner jungen Assistentin Dr. Dagmar Weise gelang es, im persönlichen
Kontakt Bodmer als Gleichgesinnten anzusprechen und ihm die Gemeinsamkeiten vor Augen zu führen.
Am Beispiel des Beethoven-Archivs wurde Bodmer klar, wie aktiv mit einer solchen Sammlung umgegangen werden
kann, wie man sie "nutzbar" machen und gewissermaßen "zum Leben erwecken" kann. Er gelangte zu der Erkenntnis,
dass er seine eigene Sammlung der Beethoven-Forschung zur allgemeinen Verfügung stellen solle und lud deshalb
Schmidt-Görg und Weise ein, im Mai 1952 nach Zürich zu kommen und die Sammlung komplett zu verfilmen. Die Kosten
hierfür übernahm Bodmer selbst. Die Möglichkeit, diese Reproduktionen nun für die eigene wissenschaftliche
Arbeit und die von Dritten im Beethoven-Archiv verfügbar zu halten, war von größter Bedeutung und sogar ein
Schreiben des Bundespräsidenten Theodor Heuss wert. In seinem Antwortschreiben betonte Bodmer noch einmal die
erhebenden Augenblicke der Bonner Gedenkfeier, deren "natürliche Folge" es gewesen sei, "meine Sammlung für das
Beethoven-Archiv photographisch aufnehmen zu lassen."
Bodmer räumte dem Beethoven-Haus auch das alleinige Recht zur wissenschaftlichen Auswertung seiner Sammlung ein,
was eine Aufbruchstimmung ohnegleichen auslöste: die Pläne für eine Beethoven-Briefgesamtausgabe wurden
konkretisiert, die Gesamtausgabe der Werke und die Skizzenausgabe rückten in greifbare Nähe.
Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer bei der Gedenkfeier
am 26. März 1952 im Beethoven-Haus
"Schweizer Seite" im Ehrengästebuch mit Einträgen von Wilhelm Backhaus und H.C.
Bodmer vom 26. März 1952 und Nachträgen von Elsy Bodmer, Robert Bory und Minister Max Huber
Der Sammler
Bodmer und das Beethoven-Haus II
Das Beethoven-Haus würdigte Bodmers Verdienste mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft am 8. Dezember 1952. Am
folgenden Tag wurde er von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
"wegen seiner Verdienste um die deutsche Musikforschung und die deutsche Literatur" mit der Ehrendoktorwürde
ausgezeichnet, was ihn zum "Dr. phil. h.c. H.C. Bodmer" machte. Der ihm auch in der beiderseitigen Verehrung für
Hermann Hesse verbundene Bundespräsident nahm an der Verleihung teil, ebenso der Schweizer Gesandte Minister
Huber. Musikalisch umrahmt wurde die Feier mit den letzten zwei Sätzen aus dem Streichquartett op. 135, von dem
Bodmer sowohl Stimmen als auch Partitur von Beethovens Hand besaß.
Feierliche Ehrenpromotion am 9. Dezember 1952, von links: Dekan Prof. Walther
Holtzmann, H.C. Bodmer, S. Magnifizenz Prof. Werner Richter, Bundespräsident Theodor Heuss; im
Hintergrund das Schiffer-Quartett mit Emil Platen
Wenige Wochen später machte Bodmer eine unselbständige Stiftung von zunächst 50.000 DM, mit der er die
Herstellung von Faksimileausgaben von Beethoven-
Handschriften sowie die Einstellung von wissenschaftlichem Personal zur Auswertung der Sammlung ermöglichen
wollte. In den kommenden vier Jahren wurde die Summe um gut das Doppelte aufgestockt. Noch zu seinen Lebzeiten
erschienen die aufwändig hergestellten, mit Bodmer bis in Details der Papierauswahl abgesprochenen
Faksimileausgaben von Beethovens umfangreichstem Schriftstück, dem Entwurf einer Denkschrift an das
Appellationsgericht aus dem Jahre 1820, und einem Glanzstück der Sammlung, der "Waldstein-Sonate" op. 53. Bald
nach seinem Tod erschien 1957 das Faksimile der 13 Liebesbriefe an Josephine Deym, das er allerdings noch vom
Krankenlager aus betreut hatte. Bodmer ließ jeweils ein Faksimile Theodor Heuss, dem Schweizer Gesandten in
Köln, Wilhelm Backhaus, dem Beethoven-Forscher Stefan Ley und seinem Bruder Martin überreichen.
Dankeskarte von Martin Bodmer an Prof. Schmidt-Görg vom 25. Dezember 1953
Vom 15. Mai bis 15. September 1953 zeigte das Beethoven-Haus in einer hochkarätigen Sonderausstellung die
wertvollsten Stücke aus Bodmers Sammlung. Es handelte sich um Zimelien aus allen Sammlungsbereichen. Die
wiederum unter Anwesenheit des Bundespräsidenten eröffnete Ausstellung erregte großes Aufsehen und wurde von
über 50.000 Gästen besucht.
Der Sammler
Bodmer und das Beethoven-Haus III
Am 28. Mai 1956 starb Bodmer im Alter von 65 Jahren "nach schwerer, mit größter Tapferkeit ertragener Krankheit",
wie die Todesanzeige der Familie ausweist. Noch am selben Tag sprach Schmidt-Görg der Witwe die aufrichtigste
Teilnahme des Beethoven-Hauses aus: "Mit großer Trauer beklagt das Beethoven-Haus nicht nur den Verlust seines
Ehrenmitgliedes. Dem großherzigen Gönner und dem traditionsbewussten Beethovenkenner verdankt das Beethoven-Haus
reiche Möglichkeiten in der Pflege des Beethovenschen Erbes. Sein Name ist aus der Geschichte des
Beethoven-Hauses nicht mehr wegzudenken." Hermann Hesse verfasste einen Nachruf auf seinen großen Förderer. Die
Handschrift wurde der Sammlung Bodmer als letztes Stück postum hinzugefügt.
Nachruf von Hermann Hesse
In der Vermächtnis-Anzeige vom Bezirksgericht Zürich ist gleich unter Punkt a.) verfügt: "Die gesamte
Beethoven-Manuskripten und Musiksammlung ist an den Verein 'Beethoven-Haus Bonn' Bonn am Rhein auszufolgen und
zwar mit der Bestimmung, dass die Sammlung als 'Sammlung H.C. Bodmer' geschlossen beisammenbleibt und dergestalt
der Oeffentlichkeit in geeigneter Weise zugänglich gemacht wird." Schmidt-Görg gab in einem seiner Nachrufe auf
Bodmer an, dieser habe ungefähr ein Jahr zuvor ihm gegenüber eine entsprechende Andeutung gemacht. Im Oktober
1956 konnte dann die Sammlung übernommen werden, wodurch sich die Bestände mehr als verdreifachten.
An Beethovens vermutetem und Bodmers definitivem Geburtstag, dem 16. Dezember, fand dann im Beethoven-Haus eine
Gedenkfeier statt, bei der auch Bundespräsident Theodor Heuss eine kurze Ansprache hielt. Hier wurde das
Vermächtnis öffentlich bekannt gegeben.
Am 3. November 1957 konnte dann die Dauer-Präsentation der Sammlung Bodmer im Erdgeschoss des Beethoven-Hauses
im Beisein von Elsa Bodmer eröffnet werden. Wilhelm Backhaus spielte zu diesem Anlass die "Waldstein-Sonate".
Nach mehreren Umgestaltungen und einer großen Restaurierung des Museums durchziehen mittlerweile Objekte aus der
Sammlung Bodmer die gesamte Dauerausstellung und auch die Sonderausstellungen werden in großen Teilen daraus
gespeist.
Die Sammlung
Briefe
Max Unger gliederte die Sammlung Bodmer in verschiedene Abteilungen, die auf den folgenden Seiten übernommen
werden. Das Hauptsammelgebiet bildeten Beethovens Briefe. So enthält die Sammlung auch den Briefwechsel mit
Josephine Gräfin Deym. Bodmer finanzierte ein Faksimile der 13 Briefe an Josephine. Das Konvolut enthält aber
auch zahlreiche Antwortschreiben und Entwürfe von Josephines Hand. Beethoven hatte Josephine Brunsvik bereits
1799 kennen gelernt, als sie noch nicht mit dem Grafen Deym verheiratet war. Während eines Aufenthalts in Wien
erhielten sie und ihre Schwester Therese Klavierunterricht bei Beethoven. Nach dem Tod ihres Gatten im Januar
1804 tröstete Beethoven die Mutter von vier Kindern mit seiner Musik und verliebte sich heftig in die junge
Witwe. Sein erster Brief datiert vom November 1804, die 12 weiteren erstrecken sich über den Zeitraum von fünf
Jahren bis zum Herbst 1809. Es entwickelte sich wohl eine innige Freundschaft zwischen beiden, Beethovens Liebe
erreicht ihren Höhepunkt im Frühjahr 1805.
Ausschnitt aus einem Brief an Josephine Gräfin Deym, Frühjahr 1805
Im Winter 1805/06 ist Josephine auf Reisen, im April 1806 entwirft sie ein Schreiben an Beethoven, ein weiterer
Entwurf aus dem Winter 1806/07 drückt dann sehr deutlich ihren Wunsch nach Distanzierung aus.
Entwurf eines Briefes von Josephine Gräfin Deym an Beethoven, Winter 1806/07
Josephine versucht, ihre Beziehung zu Beethoven zu lösen und lässt sich sogar des Öfteren verleugnen. Im
folgenden Brief schickt Beethoven ihr von seinem Kölnisch Wasser und meldet seinen Besuch an, rechnet aber schon
damit, sie nicht anzutreffen. Seine große Enttäuschung spiegelt sich in seinem Gruß am Ende des Briefes: "ich
hab sie so lieb, als sie mich nicht liebhaben".
Brief an Josephine Gräfin Deym, vermutlich 1807
Im letzten Brief an Josephine Deym wird Beethovens Resignation deutlich. Was mit zärtlichen Liebesbriefen
begonnen hatte, wird mit einem schmerzlichen Abschied beschlossen.
Brief an Josephine Gräfin Deym, wohl 1809
Josephine Gräfin Deym ging 1810 eine zweite Ehe mit dem Erzieher ihrer Kinder Christoph Freiherrn von Stackelberg
ein, von dem sie dann allerdings seit 1815 bis zu ihrem Tod 1821 weitgehend getrennt lebte. Beethovens
"Unsterbliche Geliebte", an die er 1812 seinen großen Liebesbrief richtete, ist mit den Liebesbriefen an
Josephine Gräfin Deym nicht zwingend gefunden worden. Eine ebenso wahrscheinliche Kandidatin ist Antonie
Brentano.
Die Sammlung
Sonstige Schriftstücke von Beethovens Hand
Die Denkschrift gehört in die Rubrik "Sonstige Schriftstücke von Beethovens Hand". Mit 47 Seiten handelt es sich
bei diesem Entwurf um das umfangreichste Schriftstück von Beethovens Hand überhaupt. Bodmer wählte es als erste
Handschrift für die Herausgabe im Faksimile aus. Neben seiner inhaltlichen Brisanz ist es auch optisch äußerst
attraktiv, verrät das affektgeladene Schriftbild mit zahlreichen kräftigen Unterstreichungen, Tilgungen und
Überschreibungen doch viel darüber, mit welcher Emphase Beethoven sein Ziel verfolgte, nämlich die Mutter seines
Neffen Karl von der Vormundschaft auszuschließen und ihn als Vormund einzusetzen.
Entwurf einer Denkschrift an das Appellationsgericht in Wien, 18. Februar 1820
Beethoven legt in der Denkschrift an das Appellationsgericht in Wien alle den Prozess betreffenden Umstände dar.
Seit dem Tod seines Bruders Kaspar Karl am 15. November 1815 währten die zermürbenden und seine Schöpfungskraft
hemmenden Auseinandersetzungen mit seiner Schwägerin Johanna. Nachdem der Wiener Magistrat im Herbst 1819
Johannas Vormundschaft bestätigt, ihr Leopold Nußböck als Mitvormund beigegeben und die anschließenden Gesuche
Beethovens abschlägig beschieden hatte, hoffte dieser, im Berufungsverfahren nun die Streitigkeiten endgültig zu
beenden. Die Auswertung von Beethovens Konversationsheften ergab, dass das Schriftstück nie offiziell vor das
Appellationsgericht gelangte. Allerdings wurde es wohl in einer überarbeiteten Version dem zuständigen
Appellationsrat zugeleitet, der sich dann auch letztlich erfolgreich für Beethoven einsetzte. Am 8. April 1820
fiel folgende Entscheidung: Der Magistrat musste seine vorherigen Bescheide aufheben, die bisherigen Vormünder
wurden ausgeschlossen und Beethoven mit Karl Peters als gemeinschaftliche Vormünder eingesetzt. Johanna gab
jedoch noch nicht auf, sondern drang mit einer Beschwerde bis zur höchsten Instanz vor, wo sie jedoch
scheiterte, indem der Kaiser im so genannten Hofrekurs ihre Beschwerde gegen die appellatorische Verfügung
zurückwies. Somit hatte der Prozess nach fast fünfjähriger Anspannung endlich die von Beethoven erstrebte Lösung
gefunden.
Die Sammlung
Schriftstücke teilweise von Beethovens Hand
In der Abteilung "Schriftstücke teilweise von Beethovens Hand" finden sich neben Verlagsverträgen, dem wichtigen
"Rentenvertrag" mit den Mäzenen Erzherzog Rudolph und den Fürsten Lobkowitz und Kinsky auch einzelne
Notizblätter und Gesprächsaufzeichnungen. Bei der Versteigerung der Kölner Sammlung Wilhelm Heyer im Dezember
1926 konnte Bodmer aber auch ein vollständiges Konversationsheft in seine Sammlung aufnehmen. Seit 1818 war
Beethoven durch seine fortgeschrittene Taubheit gezwungen, seine Gespräche schriftlich zu führen. Hierfür
verwendete er Notizhefte, in die seine Gesprächspartner ihre Fragen und Antworten an den schwerhörigen
Komponisten schrieben. Dieser antwortete dann allerdings meist mündlich. Er benutzte die Hefte aber auch für
Notizen und, um musikalische Einfälle festzuhalten. Heute bilden die Konversationshefte neben den Briefen die
wichtigste biographische Fundgrube.
Konversationsheft vom 9. September 1825
Dieses Heft wurde am 9. September 1825 nach einer relativ kurzfristig organisierten Privat-Uraufführung des neuen
Streichquartetts a-Moll op. 132 im Wiener Gasthaus "Zum wilden Mann" benutzt, wo getafelt wurde. Die
Gesprächspartner waren Beethoven, sein Neffe Karl, der Pariser Musikverleger Maurice Schlesinger (er wollte sich
einen direkten Eindruck von dem neuen Streichquartett verschaffen, das er für den Berliner Verlag seines Vaters
erwarb), die Geiger Ignaz Schuppanzigh und Karl Holz, Sebastian Rau und ein nicht identifizierter Schreiber,
hinter dem der Gastwirt Sebastian Schmidt vermutet wird.
Die Sammlung
Eigenhändige Niederschriften
Bodmer konnte in seiner Sammlung eine ganze Reihe von herausragenden "eigenhändigen Niederschriften von Werken
Beethovens" vereinigen. Die Sammlung enthält u.a. die so genannten "Autographe" mehrerer Klaviersonaten.
Besonders hervorzuheben ist das vollständige Manuskript der "Waldstein-Sonate" op. 53, welches als erste
Notenhandschrift noch zu Bodmers Lebzeiten in einem äußerst aufwändigen Verfahren faksimiliert wurde. Aber die
Sammlung enthält auch Handschriften von Liedern, Sonaten für Klavier und Soloinstrument und sogar mehrere
Blätter zur 9. Symphonie.
Hier sollen Beethovens Handschriften zu seiner letzten größeren Komposition, dem Streichquartett op. 135 in
F-Dur, vorgestellt werden. Für den Sammler Bodmer handelte es sich um einen besonderen Glücksfall, konnte er
doch, nachdem er 1948 bereits den vollständigen Stimmensatz erworben hatte, kurze Zeit später auch noch die
Partitur des ersten Satzes aus der Sammlung Wittgenstein hinzukaufen. Das Partiturautograph wurde bereits zu
Beethovens Lebzeiten in separierten Einzelsätzen aufbewahrt, gelangte nach seinem Tod an verschiedene Besitzer
und ist heute weit verstreut: den vierten Satz besitzt die Berliner Staatsbibliothek, das "Assai Lento" befindet
sich in einem Museum in Morlanwetz (Belgien) und der Verbleib des zweiten Satzes ist unbekannt.
Streichquartett F-Dur op. 135, Partitur des ersten Satzes
Üblicherweise wurden die Instrumentalpartien für die Spieler - die aus der Partitur "herausgezogenen"
Stimmensätze - von professionellen Kopisten angefertigt. Insofern stellt dieser Stimmensatz von Beethovens
eigener Hand eine Rarität dar. In Gneixendorf, wo sich Beethoven im Herbst 1826 auf dem Landgut seines Bruders
Johann aufhielt, fehlte es an einem geeigneten Schreiber, der Verleger Schlesinger benötigte aber dringend die
Stimmenabschriften als Stichvorlagen (Instrumentalmusik wurde damals üblicherweise in Stimmen für die
Ausführenden und nur in Ausnahmefällen als Partitur publiziert). So war Beethoven gezwungen, sein eigener Kopist
zu sein.
Stimmensatz, erste Seite der Violine 1
Dem letzten Satz hat Beethoven ein ungewöhnliches Motto vorangestellt: "Der schwer gefaßte Entschluß", der
musikalisch durch den Widerstreite zweier konträrer Motive zum Ausdruck gebracht wird, die auch von vornherein
vorgestellt werden:
"Grave: Muß es seyn?" "Allegro: Es muß seyn! Es muß seyn!"
Violastimme, Beginn des letzten Satzes
Es gibt mehrere Erklärungsversuche für das Zitat, Beethovens Freund und zweiter Geiger des Schuppanzigh-Quartetts
Karl Holz berichtet folgende Anekdote, die durch Einträge in Konversationshefte gestützt wird: "Beethoven hatte
eben das Quartett in B [op. 130] vollendet und überließ das Manuscript seinem Freunde Schuppanzigh zur
Aufführung, womit sich dieser reichlich Einnahme versprach. Um so mehr ärgerte sich Beethoven, als er nach der
Production erfuhr, daß sich ein in Wien bekannter wohlhabender Musikliebhaber D[embscher] dabei nicht einfand,
indem er behauptete, er könne dieses Quartett in der Folge im eigenen Cirkel und von tüchtigen Künstlern
aufführen lassen; das Manuscript von B. zu erhalten, falle ihm nicht schwer. Dieser Herr wandte sich nun
wirklich in kurzer Zeit durch die Fürsprache eines Freundes an Beethoven, und ließ ihn um die Stimmen zu dem
neuesten Quartett ersuchen. Beethoven erklärte ihm hierauf schriftlich, er wolle die Stimmen schicken, wenn
Schuppanzigh für die erste Aufführung mit 50 fl. entschädigt würde. Ganz unangenehm überrascht sagte nun D. dem
Überbringer des Billets: •Wenn es sein muß -!´ Diese Antwort wurde Beethoven hinterbracht, worüber er herzlich
lachte, und augenblicklich den Canon niederschrieb: 'Es muß seyn! Es muß seyn!' [WoO 196]. Aus diesem Canon
entstand im Spätherbste des Jahres 1826 das Finale seines letzten Quartetts in F-dur, welches er überschrieb:
'Der schwer gefaßte Entschluß'."
Die Sammlung
Abschriften und Auszüge
Beethoven hat zeit seines Lebens immer wieder Abschriften von Werken anderer Komponisten angefertigt und Auszüge
erstellt. In der Regel dienten sie ihm zu Studienzwecken. Für ihn besonders interessante Werke und
Problemlösungen verdeutlichte er sich durch Abschreiben. So beschäftigte er sich in Vorbereitung der "Leonore"
ausführlich mit Mozarts Opernvertonungen und exzerpierte aus dem "Don Giovanni". In seinen letzten 10
Lebensjahren entwickelte er ein ausgesprochenes Interesse an der Fugen- und Kanontechnik, was sich dann auch in
seinen Kompositionen manifestierte. Hierfür erstellte er mehrere Abschriften von Bach-Fugen.
Auf einer anderen Ebene liegen jedoch die hier vorgestellten Abschriften von Fugen aus dem "Gradus ad Parnassum"
von Johann Joseph Fux, dem Standardwerk zur Kompositionslehre. Sie dienten ihm nicht (mehr - auch er hatte bei
Haydn daraus gelernt) zu eigenen Studien, sondern als Unterrichtshilfe für seinen Schüler Erzherzog Rudolph.
Neben Klavierunterricht erteilte er ihm nämlich auch Kompositionsunterricht, wofür er selbst Unterrichtsmaterial
erstellte. Dieses im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufbewahrte Konvolut enthält neben
Exzerpten aus verschiedenen aktuellen Schriften zur Kompositionslehre auch eine ausführliche "Einleitung zur
Fuxischen Lehre im Kontrapunkt" inklusive der beiden Fugen, die Beethoven dann noch einmal aufschrieb. In der
hier vorliegenden Handschrift, die Bodmer 1931 vom römischen Antiquar Karl Eugen Schmidt erwarb, übertrug
Beethoven beide Fugen in Schlüsselung für Streichquartett. Warum, darüber können wir nur spekulieren: vielleicht
wollte er sie seinem Schüler mitgeben, vielleicht sollte auch der Theorieunterricht durch eine praktische
Lektion (Streichquartett) ergänzt werden. Schmidt zweifelte übrigens wegen der Sauberkeit der Handschrift an
ihrer Echtheit. Jedenfalls wird es den Sammler Bodmer mit Freude erfüllt haben, dass er kurze Zeit später
weitere neun Handschriften erwerben konnte, die Beethoven im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit anfertigte.
Auszug aus dem "Gradus ad Parnassum" von Johann Joseph Fux
Die Sammlung
Skizzen
Neben drei großen Skizzenbüchern aus den Jahren 1811/1812 (Skizzenbuch "Petter"), 1819/1820 (Skizzenbuch
"Wittgenstein") bzw. 1823 (Skizzenbuch "Engelmann") mit Skizzen zu so wichtigen Werken wie der 7. und 8.
Symphonie, den Diabelli-Variationen und der Missa solemnis bzw. der 9. Symphonie enthält die Sammlung Bodmer
auch eine Vielzahl von einzelnen Skizzenblättern.
Auch das Skizzenblatt zur Klaviersonate in cis-Moll op. 27 Nr. 2 ("Mondschein-Sonate") war ursprünglich
Bestandteil eines großen Skizzenbuchs. Heute wird es nach seinem ersten Fremdbesitzer, dem Wiener Kunst- und
Musikalienhändler und Schätzkommisär von Beethovens musikalischem Nachlass Ignaz Sauer als "Sauer"-Skizzenbuch
bezeichnet. Ursprünglich umfasste es mindestens 48, vielleicht sogar 96 Blätter, heute sind aber nur noch 23
bekannt. Sauer erwarb das Buch bei der Auktion von Beethovens musikalischem Nachlass und zerlegte es in viele
Einzelblätter, die er als Andenken verschenkte oder zum - vergleichsweise geringen - Preis von 20 bis 30 Kreuzer
verkaufte. Deshalb kann seine ursprüngliche Gestalt heute kaum mehr rekonstruiert werden. Sauer versah die
einzelnen Stücke mit einem Vorsatzblatt, auf dem Herkunft und Preis vermerkt waren: "Musikalische Andenken aus
Ludwig van Beethoven´s eigenhändigem Notirbuche, welches aus seiner Verlassenschaft in der am 5. Nov. 827
abgehaltenen wiener magistratischen Lizitation laut gerichtlichem Protokoll No. 17 erstand Ignaz Sauer beeideter
Schätzungskommisär in Kunstsachen. [gestrichen: 20 x] C.M. [= 20 Kreuzer Conventionsmünze]". Die aufgeklebten
Fotos stammen aus späterer Zeit.
Vorsatzblatt zum Skizzenblatt
Bodmer erwarb das Skizzenblatt in den 1930er Jahren. Zur "Mondschein-Sonate" sind heute nur noch fünf
Skizzenblätter greifbar, die alle den dritten Satz betreffen. Dasjenige aus der Sammlung Bodmer ist das zuerst
geschriebene. Auf der abgebildeten Seite enthält es einen frühen, noch deutlich einfacher gestalteten Entwurf
zum - von Beethoven hier als Mittelgedanken bezeichneten - zweiten Thema sowie zwei voneinander unabhängige
Skizzen in h-Moll. Ein weiteres Blatt befindet sich in unbekanntem Privatbesitz, drei Blätter werden in der
Biblioteca Estense in Modena, im Fitzwilliam Museum in Cambridge und in der Musashino Ongaku Daigaku in Tokio
verwahrt. Ein 2003 vom Beethoven-Haus veröffentlichtes Faksimile der ebenfalls im Beethoven-Haus verwahrten
Handschrift der Sonate bietet alle fünf Skizzenblätter samt Transkriptionen.
Skizzenblatt zur Klaviersonate cis-Moll op. 27 Nr. 2
Die Sammlung
Überprüfte Abschriften
Die Sammlung Bodmer enthält verschiedene von Beethoven überprüfte und mit eigenhändigen Bemerkungen versehene
Kopistenabschriften seiner Werke, die zumeist als Stichvorlage für die jeweiligen Verleger dienten. Diese so
genannten "Überprüften Abschriften" haben einen außerordentlich hohen Quellenwert, da sie im Prinzip die
"Fassung letzter Hand" wiedergeben und oft weit über den Stand der Autographe hinausgehen.
Hier soll ein neun Stücke umfassendes Konvolut aus der Sammlung herausgegriffen werden, in dem Abschriften zu
Beethovens einziger Oper "Fidelio" vereinigt sind. Beethoven überarbeitete seine Oper zweimal. Die am 20.
November 1805 im Theater an der Wien uraufgeführte Urfassung wurde schon nach zwei Wiederholungen abgesetzt.
Beethoven nahm dann in der ersten Umarbeitung drastische Striche und Umgestaltungen vor und zog die drei Akte in
zwei zusammen. Nach zwei Aufführungen lag dann diese Umarbeitung lange Jahre auf Eis. Erst 1814 wurde die Oper
wieder nachgefragt, und Beethoven fertigte eine neuerliche Umarbeitung bzw. teilweise Neufassung an. Auch das
Libretto wurde von dem erfahrenen Theatermann Georg Friedrich Treitschke quasi neu verfasst. An diesen schrieb
Beethoven Anfang März 1814: "Die Partitur von der oper ist so schrecklich geschrieben als ich je eine gesehn
habe, ich muß Note für Note durchsehn, (sie ist wahrscheinlich gestohlen) kurzum ich versichre sie lieber T.,
die oper erwirbt mir die Märtirerkrone". Die endgültige Version wurde dann am 23. Mai 1814 mit großem Erfolg
uraufgeführt. Während der Umarbeitungsphasen hat Beethoven die Arien und Ensembles der Oper, nachdem er sie
selbst einmal niedergeschrieben hatte, von Kopisten abschreiben lassen, dann revidiert, wieder abschreiben
lassen, wieder revidiert usw. Auf diese Weise entstanden von einigen Nummern zwei, von den meisten drei oder
sogar vier verschiedene Fassungen. Dabei schrieb Beethoven stets nur solche Abschnitte noch einmal selbst, die
er völlig verändert oder neu komponiert hatte. So wird auch hier das Endstadium der Komposition überwiegend
durch Überprüfte Abschriften dokumentiert. Die Abschrift des Terzetts Rocco/Leonore/Marzelline "Gut, Söhnchen,
gut" zeigt drei Schichten der Komposition direkt nebeneinander. Bei der ersten Gesamtrevision hatte Beethoven
neben zahlreichen kleinen Änderungen mitten heraus einen Passus von vier Takten gestrichen, der in der hier
gezeigten Abschrift von 1806 also nicht mehr enthalten war. 1814 entschied Beethoven nun, dass er diese vier
Takte doch wieder aufnehmen und statt ihrer lieber den vorausgehenden Abschnitt kürzen sollte. Deshalb entnahm
er einer älteren Abschrift der ungekürzten Fassung ein Doppelblatt, schnitt die überflüssigen Takte ab und legte
das Manuskript mit der Uraufführungsfassung von 1805 in die Abschrift von 1806 ein. So zeigt nun diese
überarbeitete Abschrift die letzte Fassung von 1814.
Kopistenabschrift mit Überarbeitung Beethovens zum Terzett "Gut, Söhnchen, gut" aus
der Oper "Fidelio"
Die Sammlung
Verschiedenes
Unter der Rubrik "Verschiedenes", die im gedruckten Katalog von Max Unger noch nicht vorkam, vereinigte Bodmer in
seinen handschriftlichen Nachtragskatalogen Reliquien wie Haarlocken Beethovens und Gebrauchsgegenstände im
weitesten Sinne wie Kompass, Geldkassette, aber auch Schreibtisch und Reiseschreibpult. Außerdem beinhaltet die
Abteilung auch Gedrucktes mit handschriftlichen Ergänzungen wie z.B. einen Neujahrsgruß und Zeitschriften, in
die Beethoven Randbemerkungen eintrug.
Der repräsentative Schreibtisch gelangte aus Beethovens Nachlass in den Besitz der Familie seines Freundes
Stephan von Breuning, wo er über hundert Jahre verblieb. Im Jahr 1929 wurde er zusammen mit weiteren
Erinnerungsstücken an Stefan Zweig verkauft und schließlich aus dessen Nachlass 1953 von Bodmer erworben. Mit
Sicherheit kann man annehmen, dass das Möbelstück in Beethovens letzter Wohnung im "Schwarzspanierhaus" stand.
Denn Stephan von Breunings Sohn Gerhard erwähnt in seinen 1874 veröffentlichten Jugenderinnerungen ausdrücklich,
dass im so genannten "Notenzimmer" Beethovens, in dem sonst nur die unterschiedlichsten Drucke, Manuskripte und
Skizzen in wilder Unordnung herumlagen, keine Möbelstücke standen, "außer jenem damals außer Gebrauch gesetzten
Schreibpulte (der [sic!] nunmehr in meinem Besitze [ist])".
Im 19. Jahrhundert wurde wiederholt die Vermutung geäußert, in einem Geheimfach dieses Schreibtischs hätten sich
Beethovens Bankaktien, sein berühmter Brief an die "Unsterbliche Geliebte" sowie zwei - ebenfalls aus der
Sammlung Zweig von Bodmer übernommene - Portraitminiaturen unbekannter Damen befunden. Auch Stefan Zweig war
davon wohl überzeugt. Allerdings existieren in Bezug auf die Fundumstände auch widersprüchliche Berichte. So
spricht Sebastian Rau von einem "alten, halbvermoderten Kasten", in dem die Aktien gelegen hätten. Außerdem ließ
sich im Schreibtisch keinerlei Geheimfach auffinden. Nun wurden im Zusammenhang mit der im Beethoven-Haus
zum
175. Todestag veranstalteten Sonderausstellung einige bisher nur wenig beachtete Objekte aus dem Besitz des
Frankfurter Musiksammlers Nikolaus Manskopf näher untersucht. Darunter war auch eine schlichte Nadelholzkiste
mit eingelassenem Schiebedeckel, die nach den Angaben Manskopfs Beethovens Bankaktien beherbergt haben soll.
Diese Kiste lässt sich exakt in den hinteren Teil einer der Schubladen auf der linken Schreibtischseite einfügen
und könnte daher tatsächlich als eine Art "Geheimfach" fungiert haben.
Schemazeichnung der oberen linken Schublade
Die Sammlung
Beethoven-Bilder
In Bodmers Besitz befanden sich auch verschiedene bildliche Darstellungen Beethovens. Darunter ist die
Miniaturmalerei auf Elfenbein von Christian Horneman, die Beethoven als jungen Mann 1802 zeigt, aber auch
ganzfigurige Darstellungen des Komponisten beim Spaziergang von Joseph Weidner und Johann Peter Lyser. Eine
Aquatinta von Franz Hegi zeigt "Beethoven am Bach, die Pastorale komponierend".
Hier werden die Portraitstudien von August von Kloeber gezeigt, die das Beethoven-Haus später mit einer
Kreidezeichnung ergänzen konnte. Der damals gerade 25-jährige Maler besuchte Beethoven 1818 in der Sommerfrische
in Mödling. Sein Schwager Baron von Skrbenski hatte ihn gebeten, für seine Galerie ein Portrait Beethovens
anzufertigen. Kloeber fand freundliche Aufnahme, und Beethoven saß ihm tatsächlich mehrmals Modell. Bei diesen
Sitzungen entstanden verschiedene Studien, von denen eine Skizze zu Schultern, Armen und Händen Beethovens sowie
eine größere Zeichnung, die den Kopf und die Schulterpartie des Komponisten zeigt, in die Sammlung Bodmer
gelangt sind.
Studie für ein Beethoven-Portrait von August von Kloeber, 1818
Die Bleistiftskizze trägt einige handschriftliche Eintragungen Kloebers für das Gespräch mit dem damals bereits
sehr schwerhörigen Komponisten. Diese zeigen, dass der Maler bereits in Mödling mit der Arbeit an der Ausführung
seines Bildes in Öl begonnen hat, denn er erwähnt, dass er Teile seiner Studie erst auf die Leinwand übertragen
wolle, ehe er Beethoven wieder aufsuchen werde.
Studie für ein Beethoven-Portrait von August von Kloeber, 1818
Das Gemälde, das August von Kloeber nach diesen Vorstudien schuf, zeigte Beethoven und seinen Neffen in ganzer
Figur in einer Parklandschaft. Leider hat sich jedoch jede Spur davon verloren. 1822 führte Kloeber aus der
Erinnerung ein weiteres Portrait als Kreidezeichnung aus, die das Beethoven-Haus 1984 erwerben konnte. Zwar
wirkt dieses Bildnis weniger lebendig und spontan als die Bleistiftskizze von 1818, jedoch gelang es dem
Künstler hier, die Gesichtszüge des Komponisten zu idealisieren, ohne sie klassizistisch zu verhärten oder sich
zu weit vom Naturvorbild zu entfernen.
Portrait Ludwig van Beethovens in Kreide von August von Kloeber, 1822
Die Sammlung
Erst- und Frühdrucke
Bestandteil der Sammlung Bodmer ist auch eine umfangreiche Sammlung von Notendrucken. Besonders bei den
Erstausgaben von Beethovens Werken mit Opuszahlen hat der Sammler Vollständigkeit angestrebt. Schließlich besaß
er von den 138 Werken mit Opuszahlen von 116 Werken mindestens ein Exemplar der Erstausgabe oder einer
Titelauflage; von 22 Werken fehlten ihm also die entsprechenden Notendrucke. Besonders werden ihn aber die raren
Originalausgaben mit eigenhändigen Eintragungen des Komponisten erfreut haben, von denen er sechs Stück
besaß.
Hierzu zählt auch Beethovens Handexemplar der Klavierstimme der Trios für Klavier, Violine und Violoncello op.
1. Die vorliegende Originalausgabe ist mit zahlreichen Fingersätzen mit Bleistift von Beethovens Hand versehen
und enthält auf Seite 52 eine Korrektur des Notentextes. Da das Autograph verschollen ist, bildet diese Ausgabe
die wichtigste Quelle zu den drei Klaviertrios. Sie entstanden in den ersten Wiener Jahren 1794 und 1795, als
Beethoven noch in erster Linie für sich selbst als Pianist komponierte; eine Doppelrolle, die ihm seine
Schwerhörigkeit später verwehrte. Wie so oft stellte Beethoven seine neuen Werke zunächst in kleinen privaten
Aufführungen bei seinen Gönnern vor, diese in einer Soirée beim Fürsten Lichnowsky.
Beethovens Handexemplar der Originalausgabe der Drei Trios op. 1
Beethoven betrat nicht nur bei der musikalischen Gestaltung, sondern auch bei der Veröffentlichung der Werke
ungewöhnliche Wege. Vertraglich (der Vertrag ist ebenfalls Bestandteil der Sammlung Bodmer) verpflichtete sich
der führende Wiener Musikverlag Artaria & Comp., Beethoven 400 gedruckte Exemplare für 400 Gulden zu liefern,
die Drucklegung kostete 212 Gulden. Für zwei Monate hatte Beethoven das alleinige Recht, die Drucke in Wien zum
stolzen Preis von 1 Dukaten (das sind 4,5 Gulden) pro Exemplar zu verkaufen. Nach Ablauf dieser Frist durfte
Artaria dann die Trios auf eigene Rechnung und eigenes Risiko verkaufen. Rechtzeitig setzte Beethoven folgenden
Subskriptionsaufruf in die Wiener Zeitung:
"Pränumeration auf Ludwig van Beethovens 3 große Trio für das Piano Forte, Violin, und Baß, welche binnen 6
Wochen bey Artaria gestochen erscheinen, und nach vorheriger Anzeige bey dem Verfasser gegen Zurückgabe des
Scheins zu haben seyn werden. Der Preis eines vollständigen Exemplars ist 1 Dukaten. Die Namen der Herren
Pränumeranten werden vorgedruckt, und sie genießen den Vortheil, daß dieses Werk für andere erst 2 Monate nach
der Ablieferung, vielleicht auch nur gegen erhöhten Preis abgegeben wird. In Wien pränumerirt man bey dem
Verfasser im Ogylfischen Hause in der Kreuzgasse hinter der Minoritenkirche Nr. 35 im ersten Stock."
Die allen Exemplaren der ersten Auflage beigefügte gedruckte Subskribentenliste umfasst 123 Namen. Darunter
findet man viele des Wiener, böhmischen und ungarischen Adels. Beethoven unterstrich und markierte zahlreiche
Namen mit einem + in seinem Handexemplar.
Die Sammlung
Die Beethoven-Bibliothek
Die umfangreiche Erstausgabensammlung, Literatur über Beethoven und Dokumente der frühen Beethoven-Rezeption
bilden den Kernbestand von Bodmers Beethoven-Bibliothek. Antiquare und Kunsthändler aus der ganzen Welt
versorgten den Schweizer mit Angeboten. Der Aufbau der Bibliothek lässt sich trotzdem nicht mehr lückenlos
nachvollziehen. Nur aus wenigen Briefen und Listen in seinem Nachlass kann man ersehen, wann, wie, warum und von
wem er welche Bücher und Noten erwarb.
Zu Bodmers ersten Anlaufstellen muss das Buch- und Kunstantiquariat C. Lang in Zürich gehört haben. Die 1918
angebotene erste deutsche Stimmenausgabe der Schottischen Lieder op. 108 von Schlesinger markiert den Beginn von
Bodmers aktivem Sammeln Beethovenscher Erstausgaben (aus älterem Familienbesitz stammen die Originalausgaben der
Violinsonaten op. 12 und der Klaviersonaten
op. 31).
Deutsche Erstausgabe der "Schottischen Lieder" op. 108
Anfang der 1930er Jahre erwarb Bodmer mehrfach Beethoveniana-Raritäten von dem in Rom lebenden Antiquar,
Schriftsteller und Kunstsammler Karl Eugen Schmidt.
Ein enger persönlicher Kontakt entwickelte sich zum Zürcher Antiquar August Laube. Von ihm erwarb er noch 1955
drei weitere Erstausgaben, wobei ihm die Originalausgabe der Klavierfantasie op. 77 besonders wichtig war, da
sich auch schon das Autograph in seinem Besitz befand. Das vierte Stück seiner Kaufentscheidung, die 1921 in
Wien erschienene Faksimileausgabe der "Mondschein-Sonate", bereicherte nicht nur Bodmers kleine
Faksimilesammlung von bisher sechs Ausgaben, sondern mag ihm auch wegen der Autogramme von Arturo Toscanini,
Moriz Rosenthal, Eugen d´Albert, Felix Weingartner, Frederic Lamond, Conrad Ansorge, Erich Kleiber und Bronislaw
Huberman willkommen gewesen sein.
Bodmer legte zu seinen Lebzeiten kein vollständiges Gesamtverzeichnis seiner Bibliothek an; der 1939
herausgegebene Katalog von Max Unger enthält zwar die Musikdrucke, erwähnt aber die Büchersammlung nicht. Eine
erste Zusammenstellung mit dem Titel "Bibliotheka Beethoveniana" hatte Bodmer 1926 im Rahmen der geplanten
Schrift zu Beethovens 100. Todestag angefertigt. Sie enthält eine Auswahl von 28 Büchern, die Bodmer "ausser den
einschlägigen Werke deutscher, englischer & französischer Sprache" für nennenswert hält, wobei er die beiden
seltenen Erstausgaben der Beethoven-Biographien von Johann Aloys Schlosser und Franz Gerhard Wegeler mit
Ferdinand Ries noch einmal besonders gekennzeichnet hat. Das folgende Verzeichnis der Erstausgaben enthält als
besondere Rarität die Prachtausgabe von Beethovens Kantate zum Wiener Kongress "Der glorreiche Augenblick" op.
136.
Einband Prachtausgabe der Kantate "Der glorreiche Augenblick" op. 136, erschienen
bei Haslinger 1837
Titelblatt der Prachtausgabe
Bei den Erstausgaben hat Bodmer Vollständigkeit angestrebt. Er verschaffte sich Überblick über seine
Bestandslücken und legte Desiderata-Listen an. Außerdem erstellte er ein ausführlicheres Verzeichnis seiner
Erstausgaben-Bibliothek in Heftform, das ihm Inventar und Bestandslücken zugleich aufzeigte, und das er bis zu
seinem Tod benutzte. Für jedes Werk mit Opuszahl reservierte er eine halbe Seite des DIN-A5-großen Heftes. Unter
der Opuszahl führte er nach und nach, zuerst mit Bleistift, später mit Kugelschreiber die jeweiligen Ausgaben
(nicht nur Erstausgaben) aus seiner Sammlung auf. Vor der Opuszahl markierte er auf seine ihm eigene Weise den
Sammlungsstand mit folgenden Bezeichnungen: schräger rot-blauer Doppelstrich "= Erstausgabe vollständig",
schräger blauer Strich
"= Erstausgabe teilweise vollständig", Bleistiftkreis "= fehlt noch in Sammlung", rotes "O M = Original
Manuskript in Sammlung". Der Inventarkatalog gibt allerdings keine Auskunft über Händler oder gar
Einkaufspreise, auch frühere Besitzer und Sammlungen erwähnt Bodmer nur vereinzelt.
Inventarkatalog der Erstausgaben mit Opuszahlen
In der Bibliothek des Beethoven-Hauses stehen die Bücher und Noten heute geschlossen aufgestellt, jede Signatur
beginnt mit "HCB". Die Analyse der elektronischen Bestandsdaten ergibt für Bodmers Bibliothek folgendes
Bild:
1) Literatur insgesamt: 886 Titel, Schwerpunkt: Literatur aus dem 19. Jahrhundert (ab 1797), aber auch die
wichtigste Sekundärliteratur bis 1955 ist vertreten; davon:
• 177 Bücher, überwiegend zur Musikgeschichte, einige Viennensia
• 360 Bücher über Beethoven, darunter auch die frühen Erinnerungen und Biographien
• 150 Zeitschriften, die über Beethoven berichten, darunter viele aus der 2ten Hälfte des 19. Jhd.
• 190 Beethoven-Aufsätze in einzelnen Zeitschriftenheften
• 9 Antiquariatskataloge
2) Noten insgesamt: 694 Ausgaben, davon:
• 334 Einzelausgaben von Beethoven-Werken (119 Originalausgaben,
• 6 Originalausgaben mit autographen Eintragungen Beethovens
• 35 Erstausgaben, 64 Titelauflagen, 110 Frühdrucke)
• 47 Taschenpartituren (Eulenburg, Lea) von Werken Beethovens
• 7 Beethoven-Faksimiles
• 241 Ausgaben anderer Komponisten (meistens Frühdrucke)
Verzeichnis der wichtigsten Literatur zu Hans Conrad Bodmer
Auf den Spuren Beethovens. Hans Conrad Bodmer und seine Sammlung, von Nicole Kämpken und Michael Ladenburger, Bonn
2006.
Martin Bircher, Martin Bodmer - sein Leben, seine Bücher, in: Martin Bircher, Elisabeth Macheret-van Daele und
Hans-Albrecht Koch, Spiegel der Welt: Handschriften und Bücher aus drei Jahrtausenden, hrsg. von Ulrich Ott und
Friedrich Pfäfflin, Cologny und Marbach 2000, S. 15f.
Daniel Bodmer, H.C. Bodmer, in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1958. Herausgegeben mit Unterstützung der
Antiquarischen Gesellschaft von einer Gesellschaft zürcherischer Geschichtsfreunde, 78. Jg., Zürich 1957, S.
1-9.
Martin Bodmer, Über den Begriff des Sammelns in: Musik und Dichtung. Handschriften aus den Sammlungen Stefan Zweig
und Martin Bodmer, Cologny-Genève; eine Ausstellung der Fondation Martin Bodmer in Verbindung mit dem Museum
Carolino-Augusteo Salzburg, Cologny 2002, S. 247-261.
Sieghard Brandenburg, Die Sammlungen des Beethoven-Hauses in Bonn, in: 1889-1989 Verein Beethoven-Haus, Bonn 1989,
S. 117-136.
Sieghard Brandenburg, Beethovens Briefe. Editionen aus zwei Jahrhunderten. Ausstellungskatalog Beethoven-Haus, Bonn
1996.
Samuel Geiser, Beethoven und die Schweiz, Zürich und Stuttgart 1976, S. 214-224.
Hermann Hesse, An einen Musiker, Olten 1960.
Theodor Heuss, Tagebuchbriefe 1955/1963, hrsg. und eingeleitet von Eberhard Pikart, Tübingen und Stuttgart 1970.
Internationale Musik-Ausstellung Luzern, 16. Juli-1. September 1938 im Rathaus am Kornmarkt, [Katalog], hrsg. von
Franz Brenn, Luzern o.J. [1938].
Kritischer Epilog zu den Junifestwochen, in: "Die Zürcher Woche" vom 18. Juli 1952.
Michael Ladenburger, Max Unger als Musikwissenschaftler, in: Zwischen Musik und Malerei. Der Beethoven-Forscher Max
Unger und seine Freundschaft mit Karl Schmidt-Rottluff, hrsg. von Michael Ladenburger, Bonn 2000 (=
Veröffentlichungen des Beethoven-Hauses, Ausstellungskataloge Bd. 8).
Oliver Matuschek, Ich kenne den Zauber der Schrift. Katalog und Geschichte der Autographensammlung Stefan Zweig,
Wien 2005.
Felicitas von Reznicek, Gegen den Strom. Leben und Werk von E.N. von Reznicek. Mit einer Darstellung der
Kompositionen von Leopold Nowak, Zürich-Leipzig-Wien 1960.
Romain Rolland - Stefan Zweig. Briefwechsel 1910-1940, hrsg. von Waltraud Schwarze, 2. Bd., Berlin 1987.
Joseph Schmidt-Görg, In memoriam Dr. med. Dr. phil. h.c. H.C. Bodmer in: Beethoven-Jahrbuch 2. Jg. (1955/56), Bonn
1956, S. 6-10.
Sonderausstellung aus der Beethoven-Sammlung H.C. Bodmer - Zürich = Exposition spéciale de la Collection Beethoven
du docteur H.C. Bodmer - Zurich / Beethoven-Haus Bonn. H.C. Bodmer, Bonn 1953.
Max Unger, Eine Schweizer Beethoven-Sammlung, in: Neues Beethoven-Jahrbuch 5. Jg 1933, Augsburg 1934, S. 28-47.
Max Unger, Die Beethoven-Handschriften der Familie W. in Wien, in: Neues Beethoven-Jahrbuch, hrsg. von Adolf
Sandberger, 7. Jg., Braunschweig 1937.
Max Unger, Eine Schweizer Beethoven-Sammlung. Katalog, Zürich [1939].
Max Unger, H.C. Bodmer, in: Musica 10. Jg. (1956), S. 540.
Dagmar Weise, Ungedruckte oder nur teilweise veröffentlichte Briefe Beethovens aus der Sammlung H.C. Bodmer, in:
Beethoven-Jahrbuch 1. Jg (1953/54), Bonn 1954, S. 9-62.
Dagmar Weise, Gedenkstunde für H.C. Bodmer im Beethoven-Haus Bonn, in: Schweizer Monatshefte 36. Jg. (1956/57), S.
905-907.
Dagmar Weise, Schweizer Vermächtnis für das Beethoven-Haus, in: Neue Zeitschrift für Musik 121. Jg. (1960), S.
410-412.
Dagmar Weise, Vermächtnis für das Beethoven-Haus in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. April 1960.
Zürcher Familien, in: Die Zürcher Woche, 27. März 1953.
Zweigs Welt der Autographen, hrsg. von Nicolas Baerlocher und Martin Bircher, Zürich 1996.
Impressum
Herausgeber:
Beethoven-Haus Bonn
Bonngasse 24-26
D-53111 Bonn
Deutschland
Inhalte der Internet-Ausstellung:
Dr. Nicole Kämpken
Dr. Michael Ladenburger
Die Sonderausstellung wurde vom 29.05.2006 bis zum 03.09.2006 im Beethoven-Haus gezeigt.