Beethoven und Großbritannien

"Wo man Ihre Compositionen allen andern vorzieht"

Vorgeschichte

Johann Peter Salomon ebnet den Weg

Johann Peter Salomon

Der Geiger Johann Peter Salomon (1745-1815) wurde wie Ludwig van Beethoven in Bonn geboren und wohnte als Kind im heutigen Beethoven-Haus. Wie Beethoven 24 Jahre später wurde auch er als 13-Jähriger in die kurfürstliche Bonner Hofkapelle aufgenommen. Später wurde er Konzertmeister des Prinzen Heinrich von Preußen. Etwa im Jahr 1780 ließ Salomon sich in London nieder, wo er bis zu seinem Tod eine führende Rolle im Musikleben spielte. Er war mit großem Erfolg als Violinvirtuose, Orchesterleiter und als Konzertunternehmer tätig und gehörte auch zu den Gründungsvätern der Philharmonic Society. Salomon setzte sich gemeinsam mit George Smart und Ferdinand Ries sehr dafür ein, dass Beethovens Musik in England noch bekannter wurde; wegen Verlagsangelegenheiten korrespondierte er in späteren Jahren gelegentlich mit Beethoven in Wien. Beethoven war über seinen Tod sehr betrübt: "Salomons Tod schmerzt mich sehr, da er ein edler Mensch war, dessen ich mich von meiner Kindheit erinnere."

Gästebuch der Bonner Lesegesellschaft, 1788-1821 Lese- und Erholungsgesellschaft Bonn

Lese- und Erholungsgesellschaft Bonn

Während seiner erfolgreichen Tätigkeit als "head hunter" gelang es Salomon, den hochberühmten Joseph Haydn aus Wien in die britische Hochburg der Musik zu holen, und zwar gleich zweimal (1791/92 und 1794/95). Dieser bleibende Verdienst wurde sogar auf seiner Grabplatte verewigt: "He brought Haydn to England in 1791 and 1794". Die erste gemeinsame Reise führte über seine Heimatstadt Bonn, wo nach wie vor ein Teil der Familie lebte. Beethovens Geigenlehrer Franz Anton Ries führte Joseph Haydn als Gast am 1. Weihnachtsfeiertag 1790 in die drei Jahre zuvor gegründete Lesegesellschaft ein. Sicherlich war auch Salomon dabei, der bereits auf der Hinreise nach Wien am 1. Oktober mit zwei Gästen aus London die "Lese" besucht hatte. So lernte Beethoven bei dieser Gelegenheit nicht nur seinen zukünftigen Lehrer kennen, sondern kam - wenn auch indirekt - erstmals in Kontakt mit England.

Brief vom 28. Juni 1792

Anders als auf der Hinreise konnte Salomon Haydn auf der Rückreise im Jahr 1792 nicht begleiten. Sein Bedauern hierüber äußerte er in einem Brief an seinen Schwager Geiger in Bonn: "ich kann so gerne ich auch wollte, den lieben Papa Haydn nicht zu Ihnen begleiten, die Angelegenheiten meiner Unternehmungen erheischen unumgänglich meine Gegenwart in England […] Mr Haydn wird Ihnen mündlich die Umstände besser zergliedern". Die Formulierung "Papa Haydn" zeigt einerseits die besondere Nähe, ist aber andererseits durchaus auch als Respektsbekundung gemeint. Aus diesem Brief geht übrigens auch hervor, dass Salomon vom Bonner Verleger Nikolaus Simrock die Klavierauszüge zweier Opern von Wolfgang Amadeus Mozart erworben hat.

Übertragung der "Militär-Sinfonie" für Klaviertrio

Haydn komponierte für Salomon und dessen Konzertreihen seine letzten 12 Sinfonien, die noch heute als "Londoner Sinfonien" bezeichnet werden. Laut Vertrag trat der Komponist sämtliche Rechte daran an Salomon ab. Dieser bearbeitete die Werke für kammermusikalische Besetzungen und konnte sie noch vor der Erstausgabe der Orchesterstimmen im Eigenverlag veröffentlichen. Die Übertragung von Haydns "Militär-Sinfonie" Nr. 100 für Klaviertrio trägt Salomons eigenhändigen Namenszug auf dem Titelblatt.

Stammbucheintrag von Christoph von Breuning, 28. Oktober 1792 Original: Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Als Beethoven 1792 wie Salomon 27 Jahre vor ihm Bonn verließ, um - ausgestattet mit einem Stipendium des Kurfürsten - in Wien Unterricht bei Haydn zu nehmen, überreichten ihm seine Bonner Freunde zum Abschied ein Erinnerungsbuch mit guten Wünschen für die Zukunft ("Stammbuch"). Christoph von Breunings Abschiedsgrüße belegen, dass man wohl damals schon davon ausging, Beethoven werde ebenfalls noch London reisen: "sieh! Es winket Freund lange dir albion [alter Name für die Britischen Inseln] / sieh! den schattigen Hain, den es dem Sänger beut." Beim zweiten Engagement Haydns nach London in der Saison 1794/95 war dann überlegt worden, ob der junge Beethoven seinem Lehrer Gesellschaft leisten sollte. Beethoven blieb aber doch in Wien und sollte ja auch später nie seinen Fuß auf englischen Boden setzen.

Schmuckblatt mit Bonner Musikern

Der ebenfalls in Bonn geborene Ferdinand Ries (1784-1838), Sohn von Beethovens Geigenlehrer Franz Anton Ries (der seinerseits Schüler von Salomon gewesen war), folgte Beethoven Anfang 1803 nach Wien und wurde dort dessen Klavierschüler. Als Pianist bereiste er wenige Jahre später die Welt und ließ sich 1813 in London nieder. Bereits nach zwei Jahren wurde er zu einem der Direktoren der Philharmonic Society ernannt. In dieser Position konnte er zwar Beethovens Werke regelmäßig zur Aufführung in London verhelfen, aber auch ihm gelang es nicht, den Komponisten selbst nach London zu holen. Von den sieben auf dem Schmuckblatt abgebildeten Bonner Musikern haben also immerhin drei (Beethoven, Salomon und Ferdinand Ries) das Musikleben Englands im 1. Drittel des
19. Jahrhunderts wesentlich mitbestimmt.